Winni Rau von der Stunksitzung Gift der AfD „tröpfelt so langsam in die Gesellschaft“

Interview | Köln · Ampel, Ukraine und Klimakleber – an Themen für die Session 2023/24 hat die Kölner Stunksitzung keinen Mangel. Und es gibt schon jede Menge witziger Ideen und auch neue Gesichter. Winni Rau, Sprecher der Stunksitzung, plaudert aus dem Nähkästchen.

Winni Rau, Sprecher der Stunksitzung und Mitglied der Band Köbes Underground.

Winni Rau, Sprecher der Stunksitzung und Mitglied der Band Köbes Underground.

Foto: Ansgar van Treeck

Die Stunksitzung startet am 6. Dezember in die neue Session. Wie lief der erste Tag des Kartenvorverkaufs?

Rau Es gab wieder den erwarteten Run auf die Karten. Wir haben bereits am ersten Samstag 90 Prozent der Tickets verkauft. Aber es war entspannt. Wer ansteht, bekommt als erstes die Karten. So war das auch dieses Mal. Als wir eine Stunde später online die Schalter öffneten, waren noch mal 5000 Karten in den ersten Minuten weg. Aber es gibt noch knapp 5000 Eintrittskarten. Also ran.

Gibt es wie im vergangenen Jahr noch weitere Termine?

Rau Das ist nicht geplant. Unser Rhythmus ist Mittwoch bis Sonntag. Und die Karten sind größtenteils verkauft. Für Dezember sind noch Karten da. Das war zu erwarten. Aber die Stimmung ist auch da hervorragend. Manche Firmen verbinden es mit einer Weihnachtsfeier. Sehr gut.

Ist Corona noch ein Thema?

Rau Als Bedrohung ist es Gott sei Dank vorbei. Wer Corona ohne Symptome hat, muss eigentlich arbeiten. Sorgen machen wir uns jedenfalls nicht.

Besteht Maskenpflicht?

Rau (lacht) Ja, natürlich. Aber nicht wegen Corona.

Wir haben schon zwei Jahre die Ampel-Koalition. Ist Kanzler Olaf Scholz eher Segen oder Fluch für Kabarettisten?

Rau Wenn wir nur wüssten, wo er eigentlich ist. So richtig sichtbar ist er selten. Dafür bieten die anderen Stoff genug. Wir fahnden gerade nach den nächtlichen Tagebüchern der Kabinettsklausur von Schloss Meseberg. Da beklagt sich Christian Lindner: Der Habeck hat mich schon wieder gedisst.

Stunksitzung Köln 2023:  50.000 Jecken kommen ins E-Werk
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50.000 Jecken feiern im Kölner E-Werk die Stunksitzung

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Foto: WDR/Thomas Brill

Muss endlich ein Ruck durch Deutschland gehen?

Rau Wir brauchen den früheren Bayern-Trainer Trapattoni als Coach der Ampel. „Was erlauben Scholz?“ In diese Richtung könnte der Sketch gehen. So sind wir gerade in Bewegung. Aber wir haben ja bis zur Premiere noch Zeit. Lassen Sie sich überraschen.

Ukraine – ein schwieriges Thema?

Rau Ja, im vergangenen Jahr haben wir daraus das Hänneschen-Theater gemacht – mit großem Erfolg. Jetzt haben wir uns schon fast an den Krieg gewöhnt, so schlimm er ist. Aber im Alltag spielt er keine so große Rolle mehr.

Wie reagiert die Stunksitzung auf aktuelle Themen. Ist Aiwanger am 6. Dezember noch Thema?

Rau Schwer zu sagen. Es geht auch um den Umgang mit der AfD. Leider tröpfelt deren Gift so langsam in die Gesellschaft. Wir haben immer gedacht, Trump wäre kein Thema für uns. Aber jetzt sehen wir, dass jeder Skandal seine Umfragewerte verbessert. So ähnlich ist es auch bei der AfD und Aiwanger.

Ein Trump für arme Leute?

Rau Tja, wer hätte das gedacht.

Wird AfD-Rechtsaußen Höcke der neue Woelki in der Stunksitzung?

Rau An Woelki haben wir uns abgearbeitet. So richtig passiert doch da kaum noch Neues. Wussten Sie, dass der ADAC inzwischen mehr Mitglieder hat als die katholische Kirche. Und Engel haben die auch. Wenn auch nur gelbe.

Welche Rolle spielt diesmal der Fußball? Weder die Damen noch die Herren gewinnen. Und der 1. FC Köln steht auf dem Abstiegsplatz.

Rau Der FC zeigt wenigstens guten Willen. Und die Nationalmannschaft spielt extra so schlecht, weil Hansi Flick erklärt hat, beim Gewinn des EM-Titels würde er alle auf den Mund küssen.

Die Stunksitzung gilt als alternativ und anarchisch, die Akteure sind aber schon älter geworden. Welche neuen Gesichter werden wir sehen?

Rau Wir spielen in der Besetzung, in der wir am besten rüberkommen. Die Höhner oder die Bläck Fööss haben sich verjüngt, richtig. Aber da muss man jetzt auch mal schauen, wie gut das funktioniert ohne die bekannten Gesichter. Zwei altgediente Darsteller sind diesmal nicht mehr dabei, dafür kommt die Kollegin Anne Rixmann zurück und zusätzlich ein jüngerer Kollege. Aber das muss organisch passieren, nicht ruckartig.

Gibt es ein Höchstalter?

Rau (lacht) Nein, es gibt eher ein Mindestalter. Aber im Ernst: Wir wollen uns öffnen, aber die Kernmannschaft soll schon bleiben.

Die Büttenrede wird im Karneval kaum noch gepflegt. Verdrängt die Musik die geschliffene Rede?

Rau Bei uns nicht. Bei uns sind Musik, Köbes Underground, und Kabarett gleichwertig. Aber die richtige Karnevalsstimmung kommt natürlich durch die Musik. Und wir haben den Vorteil, die Dramaturgie genau planen zu können. Das können andere Veranstaltungen nicht so gut. Denn Bands wie Kasalla, die Höhner oder Brings können nicht jeden Abend am Schluss der vielen Sitzungen spielen, wenn die Stimmung auf dem Höhepunkt ist.

Wir haben viele sehr existenzielle Probleme. Passt da noch die Stunksitzung mit ihrer fröhlichen, anarchischen und doch eher versöhnlichen Botschaft?

Rau Wir treffen damit die Stimmungslage der Leute. Das andere würde die Menschen nur in die Verzweiflung treiben. Das ist aber nicht ihr Lebensgefühl. Wir bringen ja Themen wie Klimaschutz und Krieg. Aber das ist die Stärke der Stunksitzung: Die Stimmung verderben wir damit nicht. Ich glaube, diesen Widerspruch müssen wir aushalten. Und viele tanken durch die Stunksitzung Kraft.

Die Mischung bleibt also?

Rau Wir machen die Stunksitzung in der kommenden Session seit 40 Jahren. Unser Konzept – von der Studiobühne bis zum E-Werk – hat uns so lange begleitet. Und so lange unsere Besucherinnen und Besucher über uns lachen, machen wir weiter.

Winni Rau ist der Akkordeonspieler der Stunksitzungsband Köbes Underground und spricht auch für die gesamte Gruppe. Im alternativen Dreigestirn mimt er immer den Bauern.

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