Stunksitzung am Donnerstagabend im WDR Wo Ferdi Mercürü Champignons preist

Köln · Die Stadt mit K kann Karneval. Vor allem aber Stunk – und das seit 35 Jahren. Aus der Alternative ist Tradition geworden.

Kabarettist Ozan Akhan als türkischer Gemüsehändler Ferdi Mercürü.

Kabarettist Ozan Akhan als türkischer Gemüsehändler Ferdi Mercürü.

Foto: WDR/Thomas Brill

Wer Köln kennt, schunkelt mit. Wer Stunk liebt, schaut heute zu. Am Abend strahlt der WDR aus, was sich die Stunker diesmal ausgedacht und im E-Werk in Szene gesetzt haben: Beste Unterhaltung. Parodie und Politik, Klamauk und Romantik aus der Stadt mit K. Aus der Alternative zur Tradition ist in 35 Jahren selbst Brauchtum geworden.

Aus den jungen Wilden auf der Bühne erwuchs in dieser Zeit ein professionelles, in Teilen ergrautes Ensemble. Das ist einfach gut, weil es kaum Tabus kennt, manchmal zwar etwas schrill daherkommt, immer aber Witz mit Hintersinn präsentiert. Die Stunksitzung bleibt politisch, eindeutig links, hat sich aber längst von den alternativen Wurzeln gelöst, macht sich inzwischen sogar lustig über die eigene Ursprünge.

Für die SPD gibt’s kein Pardon, wenn Präsidentin Biggi Wanninger sagenhaft lebensnah die Andrea Nahles gibt („die Rache der Eifel für die erloschenen Vulkane“) und verkündet: „Ich weiß, dass ich kein Charisma habe. Aber, woher nehmen?“ Die Stunker schaffen – auch wenn nicht jede Pointe das Publikum erreicht – eine spritzige Atmosphäre, die Lacher provoziert und (besonders bei den Songs von „Köbes Underground“) jeden von den harten Bänken reißt.

Ozan Akhan schafft sogar noch mehr. Der kölsche Türke, auch jenseits der Session als Kabarettist gefeiert, ist der Kracher im Programm. Seit 2000 ist er fester Bestandteil der Stunksitzung. In diesem Jahr parodiert er mit Glubschaugen Hymnen-Verweigerer Mesut Özil und rockt als Gemüsehändler Ferdi Mercürü aus Istanbul mit Queen-Songs das E-Werk. Er ist ein wahrer Champion, wenn er singt „Wer meine Champignons kennt …“.

Stunk ist echt kölsch und gleichzeitig multikulti. Von den Stunkern, allesamt Provokateure des rheinischen Frohsinns, ist tatsächlich nur einer (!) in Köln geboren. Alle anderen haben auch ohne Kölsch-Gen das Blödeln im Blut und den Scharfsinn auf der Zunge. Ihre Themen sind hart und oft überzeichnet: Mutter gibt Kleinkind ab, damit sie Platz hat in ihrer Pappschachtelwohnung. Der Dom zeigt im Missbrauchsskandal die Teufelsfratze. Ein Ehepaar im Tretbötchen lässt einen Schwimmer, einen Flüchtling, ertrinken, weil der Bademeister jede Hilfe verbietet.

Und doch ist Stunksitzung auch etwas für Romantiker, wenn Pappkartons schweben oder ein Pärchen sich findet („Ich verstehe kein Kölsch“ nach „Je ne parle pas français“). Stunk ist auch deftig, zeigt den nackten Po, veräppelt die singenden „Höhner“, veralbert den Videobeweis, lässt die Kölner Stadtspitze dumm aussehen.

Stunk karikiert, was missfällt, schickt beispielsweise den RWE-Braunkohle-Bagger zum Schaufeln durch Köln und vermöbelt schon vor Beginn der Sitzung am Eingang in der Warteschlange NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als „Hau den Lukas“.

Vieles von dem wird heute Abend im Fernsehen zu sehen sein. Wer das komplette Programm (immerhin drei Stunden am Stück) verfolgen will, muss bis Veilchendienstag warten und lange aufbleiben. Ab 1 Uhr wird dann gesendet. Ein Angebot für Zuschauer, die „wegen dem Brauchtum“ auch am Aschermittwoch noch auf Stunk jeck sind.

„Stunksitzung 2019“, WDR, 22.10 Uhr

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