Historische Titelseiten Schon 1991 fiel Rosenmontag aus – aber aus einem ganz anderen Grund als diesmal

Düsseldorf · In diesem Jahr bleiben die Straßen leer, die Jecken zu Hause. Das letzte Mal war das 1991 der Fall. Anlässlich des 75. Jubiläums der Rheinischen Post in diesem Jahr blicken wir zurück auf den Rosenmontag vor 30 Jahren.

 Die Titelseite der Ausgabe vom Rosenmontag 1991.

Die Titelseite der Ausgabe vom Rosenmontag 1991.

Foto: Rheinische Post

Es kommt nicht oft vor, dass der Karneval nicht stattfindet. Während des Erstens und Zweiten Weltkriegs und den Besatzungsjahren danach war entweder niemandem zum Feiern zu Mute oder es wurde von den Regierenden untersagt. Auch wirtschaftliche Gründe, etwa die Weltwirtschaftskrise 1931 und 32 führten zu Absagen. Selten werden einzelne Umzüge wegen schlechten Wetters nicht durchgeführt – doch dafür muss einiges los sein.

2021 jedoch trifft es ganz Deutschland (und auch den Rest der Welt): Die Corona-Pandemie lässt ausgelassenen, geselligen und alkoholgeschwängerten Frohsinn praktisch nirgendwo zu. Die Einflüsse kommen also zumeist von außen und betreffen die Karnevalshochburgen direkt. 1991 war es anders.

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Foto: Krebs Andreas / Repro/Krebs, Andreas (kan)

Damals ist Deutschland nicht direkt betroffen, doch im Nahen Osten tobt ein gewaltiger Konflikt: Der Zweite Golfkrieg vom 2. August 1990 bis 28. Februar 1991 hatte mit einer irakischen Invasion in Kuwait begonnen. Daraufhin sah sich der Irak einer großen Koalition von Gegnern gegenüber, darunter die USA, Saudi-Arabien, Großbritannien und viele weitere europäische und arabische, asiatische und nordafrikanische Staaten, insgesamt 22. Deutschland unterstützt den Militäreinsatz nicht aktiv mithilfe von Bundeswehr-Truppen, unter anderem weil das nicht legal möglich gewesen wäre – der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ wird erst am 4. März 1991 von der Sowjetunion ratifiziert. Daher leistet Deutschland vor allen Dingen finanzielle Unterstützung und ist militärisch nur so weit vertreten, wie im Rahmen des Erlaubten liegt.

Aus Solidarität mit den Opfern dieser schwierigen Weltlage wird fast überall auf Umzüge und karnevalistischen Frohsinn verzichtet. Zu Absagen führt mancherorts auch Angst vor Anschlägen. Insgesamt ist der moralische Druck schlicht zu groß: Darf man munter feiern, während in einem anderen Teil der Welt Verbündete in einem Krieg sterben? 1991 beantworten die Verantwortlichen die Frage mit „Nein“. Doch in den folgenden Jahren kommt der Krieg näher; am Kosovokrieg sind auch deutsche Soldaten beteiligt; später folgt unter anderem der mehrjährige „Kampf gegen den Terror“ nach den Anschlägen vom 11. September. Faktisch kommt man zu dem Schluss, Karneval könne kaum von der Friedenslage außerhalb des Bundesgebiets abhängig gemacht werden.

1991 aber bleibt in Erinnerung als das Jahr, in dem Köln am Rosenmontag wieder einen „Geisterzug“ erlebt – eine Mischung aus alternativem „Zoch“ und politischer Demonstration. Was im Ersten Weltkrieg noch verboten worden war, findet im Zweiten Golfkrieg trotz offizieller Absage des Straßenkarnevals statt: Kriegsgegner und Karnevalisten ziehen gemeinsam durch die Innenstadt; am Ende sind trotz dichten Schneefalls rund 100.000 Menschen auf den Beinen. Seither ist der alternative Zug, der sich in jedem Jahr einem anderen politischen Thema widmet, Tradition; mit wechselndem Zugweg, ohne Wagen und Musik vom Band – die „organisierte Anarchie“.

In Düsseldorf aber bleibt es am Rosenmontag 1991 ruhig. Diejenigen, die frei haben, nutzen den Tag vor allem zum Einkaufen.

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