Erkelenzer Land Das rufen unsere Karnevalsvereine

Erkelenzer Land · 37 Karnevalsvereine aus Erkelenz, Hückelhoven, Wegberg und Wassenberg erklären ihre Schlachtrufe. Einer spricht alte Schmugglerzeiten an, einer das Rur-Hochwasser und noch andere rufen zum Mitmachen auf.

Erkelenzer Land: Das rufen unsere Karnevalsvereine
Foto: graf

Egal ob Carsten Forg und Roland Jansen als "Et Zweijestirn" aktuelle Politik, Sport und Gesellschaftsgeschehen parodieren, Christian Macharski in seiner Paraderolle als Hastenraths Will glänzt, Christian Pape und Dr. Bimmermann ihre jecken Weisheiten und Schoten abziehen oder Micki Schläger als Keyboarder der Kölner Kult-Band "De Höhner" in der fünften Jahreszeit Hallen und Säle entlang der Rheinschiene und im Hinterland rocken, die Stars aus dem Erkelenzer Land erkennen ihren Beliebtheitsgrad vor Ort an donnerndem Beifall sowie meist dreifach zu bekundenden fünf Buchstaben. Da hören sie bei Einfluss aus Köln das Alaaf, bei solchem aus Düsseldorf das Helau. Dabei bestehen die Narrenrufe im Regelfall aus zwei Teilen: Die Vorlage ist der Hochburg nahestehend (zum Beispiel: "Düsseldorf") und wird vom Vorrufer (Sitzungspräsident) angegeben. Teil zwei ist die Antwort aus der Narrenschar (in dem Fall: "Helau") - meist ein bis dreimal eingefordert.

In einer Blitzumfrage der Rheinischen Post stellte sich jetzt heraus, dass in 37 Gesellschaften, Vereinen und Gruppen, die sich im Erkelenzer Land, also in den Städten Erkelenz, Hückelhoven, Wegberg und Wassenberg, mit dem närrischen Brauchtum beschäftigen, es nur zwei sind, die sich der Landeshauptstadt Düsseldorf nahefühlen: Das "Jrantere helau" ist am 15. Februar in der Mädchensitzung der Vereinsgemeinschaft Granterath in der Mehrzweckhalle zu hören, während "Merbeck helau" im Pfarrheim des Dorfes bei einer Karnevalsparty der Merbecker KG von 1992 angestimmt wird. Darüber hinaus ruft Wegberg noch im Straßenkarneval "Helau".

Eindeutig die Nummer eins im Städteviereck ist das Alaaf, dem von der Dorfgemeinschaft 1860 Gerderhahn sogar ein Lied gewidmet wurde, komponiert von Karl-Heinz Feiter (77). Das Mitglied der legendären "Charly Boys" mit der entsprechenden Textzeile: "In Genhahn und Kölle singt man alaaf, in Düsseldorf helau ganz brav, in Erkelenz maak mött, die halten so grad noch Schritt, doch die Nummer eins das ist alaaf, Genhahn, Genhahn alaaf". Davon ist auch die Karnevalsgesellschaft 1857 Katzeköpp aus Katzem überzeugt: "dremool Katzeköpp alaaf". "Hoppesäck alaaf" ruft man beim Ortsnachbarn KG Lövenicher Hoppesäck von 1861. "Houvere alaaf" und "Jerdere alaaf" hört man in Houverath, wo es am 25. Februar eine Karnevalsparty im Jugendheim geben soll, während in Gerderath die katholische Frauengemeinschaft närrische Initiatorinnen sind. Dreimal "Holzweiler alaaf" ist für den jungen Klüngelclub in der "Lachenden Bossarena" ebenso eine Option wie ein dreifaches "klüngel mött".

Schlicht und sachlich hört man bei der KG Rasselbande von 1972 auch am neuen Umsiedlungsort "Borschemich alaaf". Ein vertrauter Ruf, der hilft, sich in "Neu" mehr und mehr einzuleben. Die KG Tipp 1897 Doveren, Hückelhovens älteste Karnevalsgesellschaft, ruft dreimal kräftig "Douvere alaaf". In die Alaaf-Gruppe reihen sich auch "De Trötemänn" in Hilfarth, Ableger des 1912 gegründeten Instrumentalvereins mit ihren Kappensitzungen, ein: "Alaaf Helfeth, on wenn et versüppt." Dieser Schlachtruf erinnert an harte Zeiten mit bedrohlichen Rur-Hochwassern, nach (oder trotz) denen man entschied: "Und jetzt wird erst recht gefeiert."

Beeinflusst durch die Rur ist auch die KG Brökeler Kappehäuer 1963 Rot-Weiß: In Brachelen lebten einstmals viele Menschen als Kappehäuer (Weidenschäler) am nahen Kappbusch und am Fluss unter anderm vom Korbmachen. Darauf ein kräftiges "Brokele alaaf". Die KG Frohsinn 1976 Schaufenberg lässt mit ihren Millicher Freunden "Schaufenberg-Millich alaaf" unter die Narren. Die Rurblümchen 1949 in Rurich haben zwar das spezielle Sessionsmotto "life ist live, Rurich hat den 80er-Drive", doch rufen sie dazu "Rurich alaaf". Kleingladbachs Narren lassen ihr "Klengläbik alaaf" los. Platt stimmt man auch bei den Eierköpp 1973 in Baal mit "de Bool alaaf" ein. Sie jubilieren 4x11 Jahre und erinnern sich dabei an einige glatzköpfige (also Eierköpp) Gründungsmitglieder. Die Alaaf-Fraktion wird von der KG Kongo 1886 Wassenberg abgerundet. Weil sie sich schon zum Ende des 19. Jahrhunderts als Karnevalskolonie Kölns fühlte, lag die Aufnahme "Kongo" in den Gesellschaftsnamen naheliegend, denn das große afrikanische Land war als ehemalige exotische Kolonie Belgiens auch in Wassenberg in aller Munde.

Zum Mitmachen fordert die "Maak Mött"-Gruppe auf. Klug gewählt, weil man sich diesem Ruf kaum entziehen kann. An der Spitze steht hier die Erkelenzer Karnevalsgesellschaft 1832 (EKG), deren Mitglieder Heinz Forg (Sänger) und "Kallo" Kallentin (Liedermacher) dazu den lokalen Evergreen "Dremool maak mött, et es ja Fastelovend" aufgelegt haben. Die Ableger Karnevalsfreunde 1991 Brückstraße und Freundeskreis "Zur flotten Theke", der nächstes Jahr 2x11 Jahre alt wird, "maaken auch mött". Hetzerather Narren machen es "wie et gerade kütt", tendieren aber mehr und mehr zum "Maak Mött". Die KG Knallköpp 1929 Golkrath lässt es knallen und integriert den Gesellschaftsnamen beim "Jolkere Knall Mött". Mit offenem Mund (des Erstaunens?) heißt es bei der KG "De Japstöck" 1949 Kückhoven "dremool jap mött". Die KG 1952 Venroder Wenk leiht sich nur das Mött aus, kombiniert es mit Wind (viel Wind/Wirbel) und ruft "Mött Wenk". Ähnlich ist es bei der KG Immeroder Seckschürger 2001. Natürlich werden heute nicht mehr Fässer mit Jauche ("Sick", "Seck, "Seech") transportiert, aber an diese Zeiten zu erinnern, ist auch in Immerath (neu) wichtig. Das "Schürg Mött" ist eine Einladung an alle Bürger zum Mitziehen/machen. Ähnlich auch bei der KG Roathemer Wenk 1957, die das "Jöck Mött" mit "dremool Roathem alaaf" kombiniert. Ratheims zweiter Bewerber, der 1979 gegründet wurde, nimmt den Gesellschaftsnamen in den Schlachtruf auf: "dremool All onger eene Hoot". Das muss eigentlich nicht übersetzt werden.

"Der Hut" ist der Übergang zu den Besonderheiten unter den Narrenrufen: Beim Tenholter Karnevalsverein suchen die Regenten stets ein Motto, für 2017 fanden König Maik "Poseidon" und Königin Linda "Ozeania" (Ehepaar Nießen) "Unter dem Meer". Folglich tönt es durch die Antoniushalle "dremool unter dem Meer", dann gesungen "ja da kommt Flipper, Freund aller Narren". Heimatverbunden geht es bei den "Grubenrandpiraten", der 2013 gegründeten, damit jüngsten Karnevalsgesellschaft, zu: "Dremool Keyenberg Breetloof" (Da ist der platte Ausdruck für Porree). KG-Vorsitzende Nina Klauth steht auch für den Bühnenspruch: "Nach all dem Palaver und all dem Driss, wir blieve Keynberger, datt is gewiss". So gehen Karnevalsfeunde mit der durch die Braunkohlenbagger erzwungene Dorfumsiedlung um.

Verlässt man das Hotel zur Post in Orsbeck, liest man auf der Ausgangstüre "ala-da-wa" - das steht wohl für "schaut, dass ihr gut weiterkommt". Französisch abgeleitet ist das beim Karnevalsverein Uschbeck-Luchtenberg (1955/64) der närrische Schlachtruf, natürlich auch "dremool ala-da-wa.". Im nahen Myhl erinnert "Sankhas 1967 Myhl" an die Zeit des Sand(Sank)abbaus, der zur Reinigung von Holzböden benötigt wurde. Für das "Sankhas höpp-höpp" in der aktuell Session schlüpfen die siebenjährigen Tristan und Erik in Hasenkostüme.

Heimatgeschichte auch bei den "Kaffeemänn" in Effeld, nah an den Niederlanden gelegen. Der Narrenruf "de Bahn es kloar" heiß auf Hochdeutsch "der Weg ist frei". Dann konnte zu Zeiten, an die sich ältere Effelder aus eigenem Erleben noch erinnern, Kaffee gefahrlos über die Grenze geschmuggelt werden. Zeiten des Schmuggelns gab es sicher auch im Grenzdörfchen Dalheim mit erholsamen Wäldern in denen die Maiblümchen beste Bedingungen vorfanden. Da braucht man nicht lange überlegen, warum die dortige Narrengemeinschaft "De Maiblömkes" heißt. Sie gab es nach dem Zweiten Weltkrieg bis Anfang der 1960er Jahre und wurde 1989 wiederbelebt. Einige gute, alte Dinge wurden übernommen: Der Schlachtruf "dremool Dalhem All he" und auch das Heimatlied: "Denn die Maiblömkes blöhn he schon im Februar, und dann werden die Jecken flott". Flott - pardon "flöck" - ist die KG Flöck op 1878 in Wegberg-Zentrum. Erinnerungen werden wach an eine Zeit, als man noch mit von Eseln gezogenen Karren durchs Dorf zog. Auch von Kneipe zu Kneipe. Und wenn dem Baas dort dann die Zeit abhanden gekommen war, hörte man das "Flöck op" (wir müssen weiter). Das vernahm auch der draußen angebundene Graupelz - und spitzte schon die Ohren. Vielleicht sollte es ja noch rauf nach Klinkum gehen, um einige Zentner Kartoffeln zu laden. Die Erdäpfel aus Klinkum waren beliebt, weil es "Sonn Männ" (besonders dick) waren. Also: auch im 6 x 11. Jahr ruft der Präsident der KG Sonn Männ 1951 in den Saal "Sonn" und die jecke Meute antwortet laut "Männ".

Bodenbezogen geht es im wahrsten Sinne des Wortes auch bei der Dorfgemeinschaft Hei on Klei 1899 Gerichhausen zu. Hei steht für die Heidelandschaft im Bereich Beeckerheide und Freiheid, Klei für Lehm- oder Tonboden in Groß- und Kleingerichhausen. Folglich hört man: "Zickezacke, zickezacke - hei on klei". Lang geht's auch bei der KG Laakebüll 1892 Rath-Anhoven: dreifach und kräftig "laakebüll, laakebüll, laakebüll - büll, büll". Es würde den feinen Herrn (Büll) von damals im vornehmen Anzug (Laake) sicher erfreuen. Im Wappen der Gesellschaft ist er fein dargestellt, erkennt aber auch, dass er einen Beutel trägt. Auch ein Büll. Vielleicht vollgepackt mit viel närrischem Lokalkolorit - helau, alaaf, maak mött . . . Verwundert hätte ihn der internationalste Schlachtruf, das "HKG olé" der Hückelhovener Karnevalsgesellschaft 1984 wäre ihm damals vermutlich spanisch vorgekommen. Woher das "olé" kommt? Vielleicht vom 1977er Ohrwurm "Et Spanien-Leed" der Kölner Band "Bläck Fööss": "He süht et wirklich us wie bei uns zohus." Ob Spanien, Hückelhoven, Erkelenz, Wassenberg oder Wegberg - Karneval ist überall.

(hg)
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