Josef Bulva – die Rückkehr eines Pianisten

Es war eine Art Zauber, der über dem Helmut-Hentrich-Saal der Tonhalle lag. Denn auf dem Podium saß ein Mann, mit dem man dort nicht mehr gerechnet hätte.

Josef Bulva ist ohnehin ein Pianist, der nie so richtig in die Schubladen des Musikbetriebs passen wollte. Einst gefeiertes Wunderkind und Aushängeschild der sozialistischen Tschechoslowakei, nutzte er eine Auslandstournee zur Flucht. 1996 wurde seine linke Hand bei einem Unfall so stark verletzt, dass seine Karriere als beendet galt. Nach einem Abstecher in die Finanzwelt Monacos gelang ihm nach 14 Jahren mit der Rückkehr auf die Konzertpodien das scheinbar Unmögliche.

Das innere Wesen der Musik zu verstehen ist die Kraft, die Bulva sein Leben lang antreibt. Davon gab jede Note der beiden an diesem Abend gebotenen Sonaten von Beethoven Zeugnis: die Nr. 13 op. 27 sowie die als "Waldstein-Sonate" bekannte Nr. 21 op. 53. Bulva tauchte mit fast chirurgischer Präzision in die Partitur ein und förderte auf diese Weise feinste Nuancen und kristalline Strukturen an die Oberfläche. Dieser Ansatz irritierte zunächst, schließlich hält sich das Gros der Pianisten an die ungeschriebene Regel der spätromantischen Tradition, Beethoven sei mit großen Gesten und Pathos zu servieren. Doch gerade diese innere, faste meditative Ruhe führte dazu, dass Bulvas Interpretation eine umso nachhaltigere Wirkung entfaltete.

Dieser Ansatz ermöglichte auch im zweiten Konzertteil, ganz neue Seiten an Chopin zu entdecken. Was Bulva an technischer Brillanz und Tastenakrobatik hören ließ, war zwar ein astreines pianistisches Feuerwerk, allerdings nicht sein bemerkenswertester Trumpf. Chopin gab er eine lang vermisste Tiefe zurück, indem er das für den Komponisten charakteristische Wechselspiel zwischen Virtuosität, Gesanglichkeit und meisterhafter Satztechnik beleuchtete. Bulvas harmonische und melodische Aufarbeitung der Polonaise Nr. 5 magnetisierte, intensive Momente offenbarte sein Legato-Spiel in der Etüde Nr. 7. Auch mit dem Walzer Nr. 2 machte Bulva klar, dass das Werk fernab von Unterhaltungsmusik der Pariser Salons angesiedelt ist.

Mit dem "Andante spianato et Grande Polonaise brillante" ging ein bemerkenswerter Konzertabend zu Ende, der jedoch weit mehr war als nur ein großartiges Comeback. Bulvas Gastspiel war zugleich ein wohltuender Kontrapunkt zu dem Jugendwahn, der mit seinen aus dem Brutkasten schlüpfenden Superstars auch den Klassikmarkt heimsucht. Hier zeigte sich, dass große Kunst immer noch aus Authentizität geboren wird.

(RP)
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