Industrie gegen Naturschutz Irgendwo muss der Kies herkommen

Meinung | Düsseldorf · Keiner will einen Tagebau, eine Autobahn oder eine Kiesgrube vor der Haustür haben - aber alle wollen Strom, Mobilität und Baustoffe. Mit der Beggar-my-Neighbour-Politik der Bürgermeister vom Niederrhein kommen wir nicht weiter.

 Kies ist ein zentraler Rohstoff für die Bauindustrie.

Kies ist ein zentraler Rohstoff für die Bauindustrie.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Man kann die Bedenken der Anwohner und Naturschützer am Niederrhein gut verstehen. Der Kiesabbau bedeutet einen gravierenden Eingriff in die Natur, wertvolle Landschaften gehen dadurch verloren. Und natürlich möchte keiner den Lärm von Baggern und Lastern oder klaffende Löcher vor der Haustür haben.

Doch so einfach ist die Sache nicht: Es möchte auch keiner ein Windrad oder einen Braunkohle-Tagebau in der Nachbarschaft haben – und trotzdem muss der Strom irgendwo herkommen. Es möchte keiner eine Autobahn oder Güterbahnstrecke in Hörweite haben – und trotzdem muss der Verkehr irgendwo rollen. Auf Kies lässt sich vorerst nicht verzichten, er ist ein zentraler Rohstoff für die Bauwirtschaft. Auch die Bürgermeister, die nun gegen den Abbau in ihren Kommunen kämpfen, brauchen ihn für den Bau von Schulen, Kitas, Kliniken und Straßen. Mit der Beggar-my-Neighbour-Politik, nach der lieber andere die Lasten tragen sollen, kommen wir nicht weiter. Hätten sich die Ruhrgebietsbürgermeister in den 1950er-Jahren so gegen den Steinkohlebergbau gestellt, hätte es kein Wirtschaftswunder gegeben – auch nicht am Niederrhein.

Wieder einmal tut sich in NRW der klassische Konflikt zwischen Industriepolitik und Naturschutz auf. Lange hatte dabei die Industrie Vorfahrt ohne Rücksicht auf Verluste. Der Kampf um den blauen Himmel über der Ruhr, den einst Willy Brand führte, oder der Kampf um einen sinnvollen Kohleausstieg im rheinischen Revier zeugen davon.

Eine Lösung im Kies-Krach muss in klaren Leitplanken für die Firmen bestehen: Das Grundwasser muss geschützt werden, die Nutzung der Natur einen Preis haben – und den Abbau so teuer machen, dass ein Export nicht attraktiv ist. Aber die Nutzung muss erlaubt werden. Irgendwo muss der Kies schließlich herkommen, den wir nicht zuletzt zur Lösung der Wohnungskrise brauchen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort