NRW Immer mehr Metzgereien müssen schließen

Düsseldorf · Die Zahl der Metzgereien auch in NRW ist seit Jahren rückläufig. Schulabsolventen scheuen den Weg in den Fleischereibetrieb. Zudem bieten Discounter zunehmend frisches Fleisch an und drücken damit die Preise. Ein Besuch bei einem schwindenden Gewerbe.

 Der Düsseldorfer Metzger Jürgen Brosi kann allein vom Fleischverkauf nicht leben. In seinem Geschäft werden auch belegte Brötchen verkauft und Suppen angeboten. Außerdem beliefert er Büros und Partys.

Der Düsseldorfer Metzger Jürgen Brosi kann allein vom Fleischverkauf nicht leben. In seinem Geschäft werden auch belegte Brötchen verkauft und Suppen angeboten. Außerdem beliefert er Büros und Partys.

Foto: Andreas Endermann

Um zu überleben, dürfen die Metzgereien sich nicht nur auf die Fleischverarbeitung konzentrieren. Es klingt paradox, "aber nur mit dem Fleischverkauf würde es für uns sehr schwierig werden", sagt Jürgen Brosi. Der Metzgermeister steht in den Fertigungsräumen seines Betriebs an der Düsseldorfer Nordstraße. Von der Decke baumelt eine Schweinskeule. Das Fleischermesser in Brosis Hand schneidet schnell und fein durch das Gewebe. Neben ihm macht eine Kollegin gerade eine Frikadellenplatte für eine Feier zurecht. "Wir entwickeln uns immer mehr in Richtung Feinkost", sagt Brosi. In seinem Laden verkauft er nicht nur Fleisch und Wurst, er schmiert Brötchen, kocht Suppen, beliefert Büros und Partys. Anders ginge es nicht, sagt der 51-Jährige.

Das deutsche Fleischerhandwerk leidet. Im vergangenen Jahr gab es bundesweit rund 14 000 Meisterbetriebe. Das waren 4800 weniger als im Jahr 2002. Würde der Trend der vergangenen Jahre konstant anhalten, würden künftig in NRW pro Jahr 50 Metzgereien schließen. Derzeit gibt es laut dem Deutschen Fleischerverband noch 2014 Betriebe. In Düsseldorf sind es noch 30 (1981 waren es 181). Bei der Zahl der Auszubildenden sieht es ähnlich aus. Im Jahr 2007 hegten rund 7800 junge Menschen den Wunsch, Fleischer zu werden. 2013 waren es nur noch 4000. Eigentlich könnte Jürgen Brosi stets zwei Auszubildende bei sich beschäftigen. In diesem Jahr hat er keinen gefunden. "Es hat sich niemand gemeldet."

Der Niedergang der Metzgereien ist einem Paradigmenwechsel in der Gesellschaft und der Lebensmittelindustrie geschuldet. Die Menschen essen zwar immer noch genug Fleisch. Seit Jahrzehnten verzehrt der Durchschnittsdeutsche 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Doch die Discounter haben zunehmend auf Masse produziert und damit die Preise gedrückt. "Die Metzgereien können in Bezug auf die niedrigen Preise nicht gleichziehen. Das müssen wir einfach realistisch sehen. So günstig können wir nicht produzieren", sagt Peter Morgenstern, Obermeister der Fleischerinnung Düsseldorf-Mettmann.

Die Nordstraße in Pempelfort ist ein Paradebeispiel dafür, wie Massenware und niedrige Preise in eine traditionelle Handwerksstruktur drängen. Gegenüber dem Laden von Jürgen Brosi steht ein Rewe-City-Supermarkt. Im hinteren Teil des Ladens steht die gut sortierte Fleischtheke. Alteingesessene Bäcker konkurrieren mit einer "Backwerk"-Filiale, in der sich die Menschen tummeln. Hauptsache günstig.

"Es wird nicht einfacher", sagt Jürgen Brosi, in zweiter Generation im Familienbetrieb. Neben ihm steht die dritte Generation. Sohn Philipp (22) soll die Metzgerei eines Tages übernehmen. Häufig sind es die Familienbetriebe, die gute Chancen haben. "Mein Vater hat mich nie gezwungen, den Job zu ergreifen", sagt Philipp. "Ich wollte es." Derlei ist selten geworden. Nur noch 30 Prozent der Betriebe werden innerhalb der Familie weitergegeben.

Auf die Frage, ob sie heute noch problemlos eine Metzgerei eröffnen könnten, legen Brosi senior und junior die Stirn in Falten. Jürgen Brosi überlegt lange, bevor er antwortet. "Wenn Sie Spaß an der Arbeit haben, werden Sie gut und können auch überleben." Seine Zweifel sind nicht zu überhören. Allein die Werksmaschinen kosten je nach Größe bis zu 100 000 Euro. "Es ist leider immer schwieriger geworden, dafür eine Finanzierung zu bekommen", sagt Peter Morgenstern.

Die Zukunft des Berufs liege in der Qualität, sagt Brosi. "Im Gegensatz zu den Discountern können wir experimentieren. Wir können kreativ sein und dem Kunden das bieten, was er will." Das hat allerdings auch seinen Preis. Bis zu vier Wochen reift das Rindfleisch in den Kammern von Brosis Metzgerei. "Am Ende haben Sie nahezu keinen Bratverlust, weil das gesamte Wasser bereits bei uns verdunstet ist." So etwas könnten Supermärkte nicht leisten.

Hinzu kommt die Herkunft des Fleisches. Die Kunden mögen es zwar günstig, doch einigen ist die artgerechte Haltung wichtiger. Nur so können sie das Fleisch auch genießen. Nach der Studie "Consumers Choice 2013" der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und der GfK-Marktforscher achten gut 30 Prozent der Verbraucher bei Fleisch darauf, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden. Und sie sind bereit, dafür mehr zu zahlen.

(RP)
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