Dortmund "Ich fühle mich jetzt stärker"

Dortmund · Borussia Dortmunds Spieler Marc Bartra hat vor Gericht über den Anschlag auf den Mannschaftsbus ausgesagt. Sein Anwalt erklärte, dass der Spanier unter Alpträumen leide. Doch das dementierte Bartra später auf Twitter.

Im Traum ist Marc Bartra (27) viele Male auf den BVB-Mannschaftsbus zugegangen, er steigt hinein, setzt sich auf seinen Platz in der letzten Sitzreihe, rechts am Fenster. Alles ist ruhig, und dann spürt er wieder die Explosion. So schildert es am Montagmorgen Bartras Anwalt Alfons Becker vor dem Dortmunder Landgericht.

Später wird Bartra dem Richter sagen, er fühle sich "perfecto" - gut, so übersetzt es die Dolmetscherin aus dem Spanischen. Auf Twitter dementiert er später, dass er Alpträume habe. Im Gegenteil: "Ich fühle mich jetzt stärker", schreibt er.

Bartra war am 11. April 2017 beim Anschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund am Handgelenk verletzt worden, musste operiert werden. "Ich kann zu 100 Prozent Fußball spielen", sagt er. Die Verletzung am Handgelenk sei fast ausgeheilt. Auch mental sei er wieder fit. Kurz nach dem Anschlag war das anders. "Es ging mir noch nie schlechter in meinem Leben", sagt der Zeuge am Ende seiner halbstündigen Vernehmung.

Bartra ist - genau wie sein Teamkollege Pierre-Emerick Aubameyang - gestern vor dem Dortmunder Landgericht geladen. Dort ist der 28-jährige Sergej W. wegen 28-fachen versuchten Mordes angeklagt, weil er ein Sprengstoffattentat auf den Mannschaftsbus verübt haben soll. Sein Motiv: W. soll auf fallende Aktienkurse des Vereins in Folge des Anschlags gewettet haben, um damit mehrere tausend Euro Gewinn zu machen. Sein Anwalt hatte zu Beginn des Prozesses erklärt, sein Mandant habe niemanden töten, sondern die Spieler nur erschrecken wollen.

Aubameyang wird an diesem Tag nicht vor Gericht erscheinen. Er ist krank, teilt der Anwalt mit. "Wie, der hat doch am Samstag noch 90 Minuten gespielt", merkt der Vorsitzende Richter Peter Windgätter an. Das Gericht hegt Zweifel an der Erkrankung. Der Stürmer sollte angeblich noch gestern seinen Vertrag bei Arsenal London unterschreiben.

Bartra schildert den Anschlag nicht in eigenen Worten. Sein Mandant sei erschrocken, als er erfahren habe, dass der Angeklagte im Gerichtssaal sein werde, sagt der Anwalt und liest eine Erklärung vor. Bartra sei am 11. April vor dem Spiel gegen den AS Monaco am Mannschaftshotel L'Arrivée in den BVB-Bus gestiegen, sei wie immer auf seinen Platz gegangen und habe sich mit dem Handy beschäftigt. Nach 50 Metern Fahrt etwa habe es eine Explosion gegeben.

Sein Kopf sei zur Seite gesackt, das Handy sei ihm aus der Hand gerutscht. Sofort danach habe er einen Schmerz in der rechten Hand gespürt. "Ich wusste nicht, was geschehen ist", so liest der Anwalt Bartras Aussage vor. Im ganzen Bus brach Panik aus. Er habe sehen können, wie seine Mannschaftskameraden teilweise hinter den Sitzen in Deckung gingen oder sich auf den Boden legten. "Hören konnte ich nichts, ich hatte einen Piepton im Ohr", heißt es in der Erklärung. Bei dem Anblick seines blutenden Arms sei ihm schwindelig geworden. "Ich hatte Angst um mein Leben, Angst, dass ich meine Familie nie mehr wiedersehe."

Schließlich sei die Physiotherapeutin der Mannschaft zu ihm gekommen, habe seine Hand verbunden und ihm auf einen anderen Platz geholfen. Das alles habe nur zehn Minuten gedauert. Minuten, die ihm wie Stunden vorkamen.

Vier Wochen habe Bartra pausieren müssen. "Als ich das erste Mal wieder im Bus fuhr, habe ich mich so unwohl gefühlt, dass ich mich mit Musik ablenken musste", schildert der Anwalt die psychischen Folgen des Anschlags. Auf die Frage des Richters, ob er sich in Therapie befinde, antwortet Bartra entschieden "No, no, no". Oberstaatsanwalt Carsten Dombert will Bartra den Ball noch einmal zuspielen. Zurzeit scheine es, als ob dieser seine spielerische Form verloren habe. "Führen Sie das auf den Anschlag zurück?", will der Oberstaatsanwalt wissen. "No", sagt Bartra schnell und mit Nachdruck, noch bevor der Oberstaatsanwalt ausgeredet hat und die Dolmetscherin fertig übersetzt hat. Diese Steilvorlage will er nicht annehmen. "Mich hat das, was ich durchgemacht habe, noch stärker gemacht."

Bevor Bartra den Gerichtssaal schnellen Schrittes verlässt, richtet Sergej W. das Wort an ihn. Mit russischem Akzent liest er eine Entschuldigung vor. "Ich möchte mich entschuldigen für das, was ich Ihnen angetan habe. Es tut mir leid."

(heif)
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