Innovationssemester Über Fächergrenzen hinweg

Düsseldorf · Sich ein Semester lang interdisziplinär und kreativ mit Forschungsfeldern beschäftigen, die nicht den eigenen Stundenplan ausmachen – diese Idee steckt hinter dem Düsseldorfer „Innovationssemester“. Ein Blick auf Projekte und Preisträger.

 Feinstaubmessung mit Professor Konradin Weber an der Hochschule Düsseldorf (2020).

Feinstaubmessung mit Professor Konradin Weber an der Hochschule Düsseldorf (2020).

Foto: Oliver Tjaden

Studierende verschiedener Hochschulen und Fächer, von der Physikstudentin über den BWLer bis hin zum Musikstudenten, dazu Auszubildende und Meister aus Handwerk und Industrie: Sie alle kommen im sogenannten Innovationssemester zusammen, um an den verschiedensten Themenfeldern zu forschen. Die Idee dahinter: Junge Menschen, die sonst durch Bildungswege und Fächergrenzen voneinander getrennt lernen und forschen, die unterschiedliche Herangehensweisen und Denkansätze haben, gemeinsam an einer Fragestellung arbeiten zu lassen.

Das sogenannte Innovationssemester ist in dieser Form einzigartig und ein Kooperationsprojekt der Wissensregion Düsseldorf und wird getragen von der Fliedner Fachhochschule, der Handwerkskammer Düsseldorf, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Hochschule Düsseldorf, der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, der FOM Hochschule, dem Max-Planck-Institut für Eisenforschung, der Landeshauptstadt Düsseldorf und der IHK Düsseldorf. Im Innovationssemester, das immer im Wintersemester angeboten wird, geht es um diverse Problemlösungen: „Professorinnen und Ausbilder der verschiedenen Düsseldorfer Hochschulen, aber auch Unternehmen stellen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Herausforderungen“, sagt Christina Rauh, stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins zur Förderung der Wissensregion Düsseldorf. „Jeder kann seine persönlichen und fachlichen Fähigkeiten einbringen und seine Teamfähigkeit in interdisziplinären Teams schulen – eine tolle Vorbereitung auf die Arbeitswelt und eine gute Ergänzung zum Alltag im Studium oder der Ausbildung.“

Zehn bis fünfzehn Projekte stehen in jedem Innovationssemester zur Wahl. Auch in diesem Jahr war das Spektrum breit: In einem Projekt wurde eine Smartphone-App entwickelt, mit der rund 30 Straßen in der Düsseldorfer Innenstadt zum Leben erwachen. Die Straßen und Gassen nämlich, die nach den Künstlern der Düsseldorfer Malerschule benannt sind. Mittels Augmented Reality machen die App-Nutzer eine Zeitreise und erleben Kunst und Künstler aus dem 19. Jahrhundert. In einem anderen Projekt geht es um etwas völlig anderes: Feinstaub-Messungen nämlich. Die Studierenden des Kurses haben kleine digitale Feinstaub-Sensoreinheiten unter Anleitung aufgebaut und bei verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt. Die Messergebnisse dieser Sensoreinheiten können digital ins Netz übermittelt und auf einer digitalen Karte dargestellt werden – so ist die Feinstaubmessung für viele Orte in Düsseldorf möglich.

Weitere Projekte entwickeln einen Experimentierkasten für Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, die Wirkung von beispielsweise Cola auf den Körper zu zeigen, oder beschäftigen sich mit Geschäftsfeldern der Sparkasse, die immer weniger durch das Zinsgeschäft verdient. „Man sieht also, das Angebot an Seminaren ist wirklich sehr breit“, fasst Christina Rauh zusammen.

Rund 100 bis 200 Studierende nehmen pro Semester teil, im Herbst 2021 startet die nächste Bewerbungsphase. Dann kann man auf der Homepage der Wissensregion die neuen Kurse sehen und sich mit einem kleinen Motivationsschreiben für seinen Favoriten bewerben. Der Zeitaufwand liegt bei rund zwei Stunden pro Woche, manche Kurse werden als Blockseminar veranstaltet. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekommen die Möglichkeit, in einem bunten Team ihre Fähigkeiten einzubringen und an echten Problemen zu arbeiten. Sie knüpfen wichtige Kontakte innerhalb und außerhalb von Hochschule und Wirtschaft mit Wissenschaftlerinnen und Experten und natürlich mit den anderen jungen Leuten, die dabei sind“, sagt Christina Rauh. „Über stark verschulte Studiengänge und Ausbildungen hinaus bietet sich mit dem Innovationssemester die Chance, den eigenen Horizont zu erweitern, praktisch zu arbeiten und damit insgesamt – und das ist uns wichtig – persönlich zu wachsen.“

Und nicht nur das Teilnahme-Zertifikat macht sich anschließend gut im Lebenslauf: „Im Innovationssemester lernt man, praktisch und ergebnisorientiert in einem gemischten Team an einer Lösung für ein Problem zu arbeiten – also genau das, was in der Arbeitswelt gefordert ist“, sagt Christina Rauh. „Oft bleiben die Gruppen auch über das Innovationssemester hinaus vernetzt, arbeiten weiter an dem Thema – manchmal sogar als Start-Up – oder machen beim nächsten Mal wieder mit. Grundsätzlich muss man sagen: Das Engagement ist bei allen Beteiligten sehr groß.“

Am Ende des Innovationssemesters haben die Gruppen übrigens die Gelegenheit, ihre Ergebnisse vor Entscheidern, Wirtschaftsvertreterinnen und Wissenschaftlern aus Düsseldorf vorzustellen. In diesem Jahr fand das Ganze natürlich digital statt. Zwei Gruppen wurden dabei besonders ausgezeichnet – mit einem Jury- und einem Publikumspreis: Den Publikumspreis gewann das Projekt „Experimentierkasten – die kleinen Werkstoffprüfer/Innen“, das Antonio Schulz, Auszubildender am Max-Planck-Institut für Eisenforschung Düsseldorf sowie zwei Studentinnen der Heinrich-Heine Universität und der Hochschule Düsseldorf, Vivian Schock und Linda Stange, ausgearbeitet haben: „Unsere Idee für den Experimentierkasten war es, auf der einen Seite den Leuten die Aufgaben eines Werkstoffprüfers näher zu bringen und auf der anderen Seite zu zeigen, dass manche von den Lebensmitteln, die wir tagtäglich zu uns nehmen, so aggressiv sind, dass sie sogar in der Lage sind, metallische Oberflächen anzuätzen und folglich nicht wirklich gesund sind. Bei den Kindern soll außerdem das Interesse für die Wissenschaft und Forschung geweckt werden“, so Antonio Schulz, Auszubildender am MPIE.

Eine Jury aus Experten und Expertinnen der Kultur, der Wirtschaftsförderung und des Schulverwaltungsamts Düsseldorfs zeichnete das zweite Gewinner-Projekt aus: Der Jurypreis ging an das Augmented-Reality-Kunstprojekt „Unsere Straßen, unsere Künstler“.

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