Als Student zum eigenen Album Zwischen Zerstörung und Lichtmomenten

Düsseldorf ·  Johannes Meyer zum Wischen studiert Musik und Medien an der Robert-Schumann-­Hochschule in Düsseldorf. Am 20. Dezember hat er mit seiner Band sein erstes Album veröffentlicht – in Eigenproduktion.

 Johannes Meyer zum Wischen sitzt an seinem Schlagzeug.

Johannes Meyer zum Wischen sitzt an seinem Schlagzeug.

Foto: Johannes Meyer zum Wischen/Isabelle Hamm

Am Anfang fühlt sich alles ein bisschen an wie in einer Tropfsteinhöhle: Kühl und dunkel, aber trotzdem auf eine Art so geborgen, dass man denkt, wenn man jetzt weitergeht, kann am Ende dieser Höhle eigentlich nur die Erleuchtung kommen. Doch das Gefühl trügt, natürlich tut es das, denn was den Hörer nach dem Intro des Albums erwartet, ist kein Frieden, sondern das Gegenteil.

Die Welt geht kurze Zeit später in Flammen auf und fällt in großen Brocken auseinander, sodass der Boden vibriert und man – gejagt von Gitarrenriffs und den scharfen Klängen des Schlagzeugs – so schnell rennen möchte, dass die Beine gar nicht mehr nachkommen und man sich auf der Flucht durch die Gänge die Ellenbogen an den Wänden aufschürft. Aber da ist nicht nur Wut in diesen Songs, da ist vor allem auch Licht. Und das scheint so hell, dass die Zerstörung, der Schutt, der Staub plötzlich eine solche Schönheit annehmen, dass man nach zehn Songs und 47 Minuten irgendwie doch den inneren Frieden spürt, den man sich am Anfang des Albums so sehr herbeigesehnt hat.

„Delusion“ lautet der Titel dieser Platte, was in etwa so viel wie „Täuschung“ oder „Wahn“ bedeutet, und den Klang und das Thema der Stücke ziemlich passend beschreibt. Es geht um Macht und Machtlosigkeit, den Verlust der eigenen Zurechnungsfähigkeit, um Göttlichkeit und Religiosität. Am 20. Dezember ist das Album erschienen, es ist das erste der Groove-Metal-Band „Blackening“. Produziert, aufgenommen und gemixt wurde alles von ihrem Schlagzeuger, Johannes Meyer zum Wischen, 26 Jahre alt und Student an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.

„Es ist ein richtig gutes Gefühl, nach all der Zeit jetzt endlich etwas in den Händen zu halten“, sagt Meyer zum Wischen. Schon im Jahr 2014, nach der Gründung der Band, habe er den ersten Song für das Album geschrieben, 2018 dann mit den Aufnahmen des Gesangs und der Instrumente (zwei Gitarren und ein Bass) im Probenraum begonnen. Alles unter seiner Regie – nur bei der Aufnahme des Schlagzeugs habe ihn ein Kommilitone als Toningenieur unterstützt, weil Meyer zum Wischen ja selbst spielen musste.

Als im Frühjahr dann der Lockdown kam, habe er in der Isolation gleich loslegen können und aus all den Aufnahmen, die während der vergangenen Jahre entstanden waren, in Eigenproduktion das Album zusammengeschnitten, das heute so klingt, als wäre es in einem Fluss entstanden und das man am besten (auch als Mensch, der bisher dachte, dass Metal überhaupt nichts für ihn wäre) ganz laut von vorne bis hinten durchhören sollte, um diese Reise durch die Unterwelt am eigenen Körper nachempfinden zu können.

Johannes Meyer zum Wischen studiert Musik und Medien. Auf den Studiengang sei er durch ein Praktikum im „Loft“ gekommen, einem Veranstaltungsraum für Jazz in Köln. Der Praktikumsanleiter dort habe sich viel Zeit für ihn genommen, ihm alles rund um die Tontechnik erklärt und ihm bei eigenen Aufnahmen geholfen. So habe er immer mehr Gefallen daran gefunden, sich selbst mit eigenen Produktionen auszuprobieren.

Denn selbst gespielt hatte er zu diesem Zeitpunkt schon länger. Als er sieben Jahre alt war, sagt Meyer zum Wischen, hätten ihn seine Eltern erst bei einem Percussion-Kurs angemeldet und ihm dann schließlich ein Schlagzeug ins Kinderzimmer gestellt. In der Mittelstufe seien dann schon die ersten Auftritte mit der Schulband gefolgt – mit Cover-Versionen der Ärzte oder der Red Hot Chili Peppers. In der Oberstufe dann die eigene Rockband und später auch ein bisschen Gitarre, um sich selbst das Komponieren eigener Songs zu erleichtern.

Zum Metal sei er nach und nach gekommen, sagt Johannes Meyer zum Wischen. Sein großer Bruder habe ihm als Kind immer seine Mix-CDs mit ganz verschiedenen Künstlern mitgegeben, die er dann zu Hause auf dem CD-Player rauf und runter gehört habe. Erst seien Gruppen wie Linkin Park dabei gewesen, später – mit zwölf oder 13 Jahren dann – auch Bands, bei denen etwas regelmäßiger geschrien, die Gitarren noch böser gebaut und das Schlagzeug noch schneller gespielt wurde als bei den anderen Bands und ganz besonders als bei den Künstlern, die er sonst im Radio hören konnte.

Am Anfang habe ihn das selbst ein bisschen abgestoßen, dann habe er nicht länger als eine halbe Stunde zuhören können, ohne eine Pause zu machen. Aber diese Energie der Musik, ihr technischer Extremismus und das Verständnis, das von ihr ausgehe, das habe ihn fasziniert. So sehr, dass er mit 13 Jahren zu seinem ersten Metal-Konzert ging – im Palladium in Köln war das damals. Und als er dort von der Empore heruntergeschaut habe, auf die feiernden Menschen, die vor der Bühne ineinander sprangen und sich dann nach einem Sturz wieder gegenseitig auf die Beine halfen, da habe sich das alles für ihn ganz „außerweltlich“ angefühlt.

Die US-amerikanische Band Machine Head spielte damals, und nach dem Album, mit dem sie zu diesem Zeitpunkt auf Tour war – „The Blackening“ –, ist auch die Band von Johannes Meyer zum Wischen benannt. Es solle eine Würdigung sein und keine explizite Anlehnung. „Wir haben relativ lange nach einem Bandnamen gesucht und haben dann beschlossen, dass wir uns einfach auf diesen Namen einigen sollten, damit wir endlich wieder weiter Musik schreiben können“, sagt Meyer zum Wischen.

Die Band Machine Head zählt zu den populärsten Vertretern des Subgenres Groove Metal, mit dem Johannes Meyer zum Wischen auch den Stil seiner eigenen Band beschreibt. Ihm sei es wichtig, dass der Zuhörer zu der Musik in den meisten Momenten immer relativ gerade den Kopf zur Musik halten könne – also einen gewissen Groove habe, an dem er sich auch bei den krummen Takten innerhalb des Metal-Genres immer festhalten könne. Also immer in einem bestimmten Puls.

Johannes Meyer zum Wischen und die anderen Bandmitglieder haben sich über das Internet kennengelernt – über Foren für die Suche nach Musikern. „Es ist irgendwie abgefahren, dass es dann doch so lange hält, obwohl die Band nicht schon aus ursprünglichen Freundschaften entstanden ist“, sagt Meyer zum Wischen.

Wenn sie zusammen Songs schreiben, dann spielen sie meistens zusammen im Probenraum vor sich hin, und Meyer zum Wischen nimmt dann alles mit einem Rekorder auf, extrahiert die Ideen und schaut, ob er sie in eine musikalische Form bringen kann. Nur einmal, bei ihrem Song „Traumatized“, da sei es sogar vorgekommen, dass er das ganze Stück – mit Gesang, Schlagzeug, Gitarre und Bass – geträumt und gleich nach dem Aufwachen aufgeschrieben habe.

Die Band arbeite derzeit bereits an ihrem zweiten Album. Was das Produzieren betrifft, sagt Meyer zum Wischen, sei er ja jetzt schon bestens geübt.

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