Trotz Kritik und Zweifel Wer studiert heute überhaupt noch Theologie?

Die Institution Kirche steht seit geraumer Zeit in der Kritik, und viele Mitglieder sind in vergangenen Monaten und Jahren ausgetreten. Was bewegt junge Menschen in diesen Zeiten dazu, Religionslehrer zu werden? Drei Theologiestudentinnen teilen ihre Gedanken.

Die Kirchentage bringen Jahr für Jahr auch viele junge Menschen zusammen, hier ein Bild vom Festgottesdienst 2017 in Wittenberg.

Die Kirchentage bringen Jahr für Jahr auch viele junge Menschen zusammen, hier ein Bild vom Festgottesdienst 2017 in Wittenberg.

Foto: picture alliance / Maurizio Gamb/DPA/Maurizio Gambarini

„Scheinheilige Kirche“, „Vatikan kritisiert Synodalen Weg – Konflikt zwischen Vatikan und deutscher Kirche spitzt sich zu“, „Evangelische Kirche – Kritik an neuer Missbrauchsaufarbeitung“. Dies sind nur einige Auszüge aus der Berichterstattung über die katholische und evangelische Kirche in den vergangenen Monaten. Die Unzufriedenheit mit der Institution Kirche in Deutschland wächst. Das zeigen nicht nur der mediale Diskurs, sondern auch die Zahlen: Mehr als 359.000 Menschen haben im vergangenen Jahr die katholische Kirche verlassen (laut Statistik der Deutschen Bischofskonferenz). Aus der evangelischen Kirche sind nach deren Angaben im gleichen Zeitraum rund 280.000 Menschen ausgetreten – macht zusammen knapp 639.000 Menschen, die 2021 der Kirche den Rücken gekehrt haben. Erstmals ist die Mehrheit der Deutschen weder evangelisch noch katholisch.

Auf den ersten Blick klingt das nicht nach einem Umfeld, in dem man seine berufliche Zukunft suchen möchte. Dennoch entscheiden sich noch immer junge Menschen dafür, ihren beruflichen Weg mit einer der beiden Kirchen zu gehen. Drei von ihnen erzählen in diesem Artikel, weshalb sie sich für ein Leben als Religionslehrer entschieden haben und warum ihrer Ansicht nach Kirche und Religionsunterricht wichtig bleiben, trotz all der Kritik.

Luisa (Name geändert) studiert im dritten Mastersemester evangelische Theologie und arbeitet neben dem Studium bereits an einer Schule, weshalb sie anonym bleiben möchte. Während eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) an einer Förderschule begleitete sie unter anderem auch den Religionsunterricht eines evangelischen Pfarrers. Die kindgerechte Aufarbeitung von Themen wie Moral, Freundschaft und Miteinander sowie der wertschätzende Umgang mit den Kindern haben sie begeistert. Beeindruckt von dem Unterricht des Pfarrers wurde ihr klar, dass sie ebenfalls Religion unterrichten wollte. Dabei versteht sie ihre Rolle als Religionslehrerin darin, den Kindern etwas Sinnvolles mitzugeben und Themen Raum zu geben, die im Schullalltag sonst keinen Platz finden würden.

Ähnlich sieht auch Emma (Name geändert) die Funktion des Religionsunterrichtes. Sie studiert katholische Theologie und steht ebenfalls kurz vor dem Ende ihres Masters. „Religion ist mehr als ein Fach des Wissensaustausches. Man kann im Religionsunterricht viel mehr auf Persönlichkeiten und Bedürfnisse eingehen“, findet sie. Sie möchte Kindern in ihrer Entwicklung Halt geben, denn als Religionslehrer habe man eine ganz andere Vertrauensebene zu den Schülern als andere Fachlehrer. So könne der Religionsunterricht auch ein Auffangbecken für belastende Themen sein. Das hatte sie bereits in ihrem Praxissemester während der Pandemie bemerkt. Der Religionsunterricht wurde zu einem Raum, in dem Schüler die Sorgen und Ängste teilen konnten, die in anderen Unterrichtsstunden wie etwa Mathematik keinen Platz hatten.

Die jungen Lehrerinnen wollen die Schüler unterstützen und dabei ihren Glauben teilen. Dieser soll aber keineswegs unreflektiert weitergegeben werden. So findet Anna, die im vierten Mastersemester katholische Theologie studiert: „In einem guten Religionsunterricht sollte durchaus auch ein kritischer Diskurs stattfinden.“ Die drei Studentinnen sind sich bewusst, dass es in ihren Kirchen vieles gibt, was kritische Stimmen hervorruft. Doch, so ist sich Anna sicher, brauche es weiterhin den Religionsunterricht und die christliche Gemeinschaft. Nur gemeinsam könne man Änderungen und Fortschritt erreichen.

Die drei Studentinnen wollen in ihrem Religionsunterricht einen Raum schaffen, in dem auf die Bedürfnisse der Schüler eingegangen werden kann und sie in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben unterstützen. Ein Raum, in dem zwar Kirche einen Platz hat, aber wo christliche Werte, wie Nächstenliebe und Glaubensgemeinschaft im Vordergrund stehen. Ein Raum, in dem Kinder aufgefangen werden können. Egal mit welchen Lebensfragen sie sich gerade beschäftigen und egal, ob sie überhaupt an Gott glauben. So will Luisa ihren Schülern mitgeben: „Es ist eure Entscheidung aber guckt mal, das sind die schönen Seiten an Religion.“

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