Innovationssemester Raus aus dem Hörsaal – rein in die Praxis

Eigene Musik produzieren, Bier brauen lernen oder eine virtuelle Ausstellung konzipieren – und das über Fächergrenzen hinweg: Beim Innovationssemester beschäftigen sich Studierende, Auszubildende und Berufstätige ein Semester lang mit Dingen, die sonst nicht auf ihrem Stundenplan stehen.

 Der Blick über den studentischen Tellerrand gehört zum Innovationssemester unbedingt dazu.

Der Blick über den studentischen Tellerrand gehört zum Innovationssemester unbedingt dazu.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Düsseldorf Hier ein Seminar, dort eine Vorlesung, dann noch ein Praktikum: Im Studium hat man oft kaum die Gelegenheit, einmal über den Tellerrand des eigenen Fachs zu blicken. Sich ein Semester lang interdisziplinär und kreativ mit Forschungsfeldern beschäftigen, die nicht den eigenen Stundenplan ausmachen – diese Idee steckt hinter dem Düsseldorfer „Innovationssemester“. Studierende verschiedener Hochschulen und Fächer, von der Physikstudentin über den Betriebswirtschaftler bis hin zum Musikstudenten, dazu Auszubildende und Meister aus Handwerk und Industrie, kommen dabei zusammen, um an unterschiedlichen Themenfeldern zu forschen. Die Idee dahinter: Junge Menschen, die sonst durch Bildungswege und Fächergrenzen voneinander getrennt lernen, die unterschiedliche Herangehensweisen und Denkansätze haben, gemeinsam an einer Fragestellung arbeiten zu lassen.

Das Innovationssemester ist ein bundesweit einzigartiges Bildungsprojekt des Vereins Wissensregion Düsseldorf. Dort haben sich Institutionen aus Forschung, Bildung, Politik, Wirtschaft sowie Kunst und Kultur zusammengeschlossen, etwa Uni und Hochschulen, die Stadt Düsseldorf, die IHK sowie namhafte Unternehmen. Im Innovationssemester stellen Professorinnen, Professoren und Ausbilder der Düsseldorfer Hochschulen, aber auch Unternehmen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Herausforderungen. So bietet sich mit dem Innovationssemester die Chance, den eigenen Horizont zu erweitern und praktisch zu arbeiten .

Acht Projekte standen im jüngst beendeten Innovationssemester zur Wahl: So konnten die Studierenden etwa eine Vision für das urbane Leben der Zukunft entwerfen, sich als Online-Redakteure und -Redakteurinnen betätigen, Altbier brauen lernen, sich mit nachhaltigem Verpackungsrecycling beschäftigen, eine virtuelle Ausstellung konzipieren oder aber mit dem Smartphone Filme drehen. Der Zeitaufwand liegt bei etwa zwei Stunden pro Woche, manche Kurse werden als Blockseminar veranstaltet. Rund 80 Studierende, Auszubildende und Berufstätige aus der Region Düsseldorf waren dabei – unter ihnen auch Laura Domin, die sich für das Projekt „Brewno – Braue dein eigenes Altbier“ entschieden hat.

Die 22-Jährige studiert eigentlich Umwelt- und Verfahrenstechnik an der Hochschule Düsseldorf und hat per Hochschul-Mail vom Innovationssemester erfahren. „Das klang spannend und ich wusste, dass mein Semester diesmal nicht zu voll sein würde. Also habe ich mir die Projekte genauer angeschaut und gedacht: Trau dich!“ Als gebürtige Düsseldorferin und Verfahrenstechnikerin sprach sie die Idee, ein eigenes Altbier zu brauen, gleich an. „Den Prozess hinter einem Produkt kennenzulernen und zu verbessern erschien mir spannend. Und die Bewerbung zum Innovationssemester war wirklich sehr einfach: Einige Angaben zur Person und einige Sätze zur Motivation – und schon konnte es losgehen.“

In ihrem Team traf Laura Domin auf „sehr kreative Leute, egal ob sie aus der technischen oder künstlerischen Ecke kamen“. Thomas Zipf von der Hochschule Düsseldorf gehörte zum Leitungsteam des „Brewno“-Projekts. „Unsere Gruppe war extrem spannend zusammengesetzt, mit Biologen, Chemikern, Medientechnikern, einem Philosophen. Wir haben so viele Ideen rund um dieses eigene Altbier entwickelt, dass wir mehrere Semester hätten füllen können. Letztendlich haben wir uns für die Geschmacksrichtung Rosmarin-Zitrone entschieden, viel an der Steuerungs- und Regeltechnik der Brauanlage getüftelt. Es wurde ein hochprofessioneller Film über das Projekt gedreht und sogar ein eigenes Tool zur Bewertung der Bier-Sensorik entwickelt.“ Das Team entwickelte nicht nur ein Summer Ale, sondern designte auch das Markenlogo. „Ich liebe diese Art von Projektarbeit“, sagt Laura Domin. „Ich habe bei dem Projekt so viel gelernt und die viele Arbeit gar nicht als solche empfunden. Natürlich kamen auch Probleme auf, aber mit denen war man eben nicht allein, sondern hat sie in der Gruppe gelöst. Ich habe Projektplanung gelernt und fühle mich außerdem in der Wahl meines Studiengangs bestätigt. Das Innovationssemester gibt mir großen Antrieb, meinen Weg weiterzugehen.“

Für den Medienpädagogen Thomas Zipf liegt der große Reiz des Innovationssemesters am interdisziplinären Arbeiten – auch für die beteiligten Dozenten, Dozentinnen und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. „Es ist sehr reizvoll, mit kreativen, jungen Menschen unterschiedlichster Fachrichtungen zusammenzuarbeiten, und so andere Sichtweisen auf die Dinge kennenzulernen. Alle waren enorm motiviert und haben sich weit mehr engagiert, als sie eigentlich mussten.“ Thomas Zipf rät allen Studierenden, einmal am Innovationssemester teilzunehmen: „Alle können ihre persönlichen und fachlichen Fähigkeiten einbringen und ihre Teamfähigkeit in interdisziplinären Teams schulen – eine gute Ergänzung zum Alltag im Studium oder der Ausbildung, und vor allem eine wichtige Vorbereitung auf die Arbeitswelt. Denn eine gute Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams mit kreativem Output ist eine Kernkompetenz für das Berufsleben.“

 Das „Brewno-Team“ gewann den ersten Preis.

Das „Brewno-Team“ gewann den ersten Preis.

Foto: Carlos Krug

Beim Abschlussfinale des Innovationssemesters stellten die Teams ihre erarbeiteten Ideen einem breiten Publikum aus Wissenschaft und Unternehmerschaft vor. Das „Brewno“-Team gewann den Preis für das beste Projekt: Es präsentierte in einem kurzen Film den Weg, den die Teilnehmenden gemeinsam innerhalb des Projekts gegangen sind. Und natürlich konnte das selbst gebraute „Summer Ale“ im Anschluss auch probiert werden.

Nach diesem Erfolg möchte das Projektteam weiter in Kontakt bleiben – auch eine gemeinsame Brauereibesichtigung steht noch an. Laut des Vereins Wissensregion Düsseldorf bleiben die Gruppen oft auch über das Innovationssemester hinaus vernetzt, arbeiten weiter an dem Thema – manchmal sogar als Start-Up. „Ich kann allen Studierenden empfehlen, beim Innovationssemester mitzumachen“, lautet Laura Domins Fazit. „Traut euch in etwas hineinzuschnuppern, in dem ihr noch keine Erfahrung habt. Verlasst eure Komfortzone – es ist in jedem Fall eine Bereicherung.“

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