Studieren in der Pandemie Auf der Suche nach dem wahren Studentenleben

Unsere Autorin hat ihr Studium in der Pandemie begonnen und bisher keinen wahren Alltag auf dem Campus kennengelernt. Ein Erfahrungsbericht über Frust, Ängste und neue Hoffnungen.

 Keine Präsenzlehre oder Partys: Während der Corona-Pandemie findet das Studium für viele Erstsemester alleine von zu Hause statt.

Keine Präsenzlehre oder Partys: Während der Corona-Pandemie findet das Studium für viele Erstsemester alleine von zu Hause statt.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Bald ist mein zweites Semester um, im Oktober bin ich seit einem Jahr Studentin, und trotzdem kann ich die Male, an denen ich den Uni-Campus betreten habe, an einer Hand abzählen. Ich habe während einer Pandemie mit einem Studium begonnen, obwohl ich wusste, dass ich zunächst nicht die studentischen Erfahrungen machen können würde, die ich mir zuvor vorgestellt hatte. Doch ich fühlte mich bereit für das Studium, denn mein Abitur lag über ein Jahr zurück, und ich hatte bereits ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Der Studienbeginn fühlte sich für mich wie der einzig logische nächste Schritt an, und selbst die Pandemie konnte mich nicht von meinen Plänen abbringen.

In meinem Fall kam noch hinzu, dass es mir nicht genügte, das Studium von zu Hause aus zu starten. Nein, für mich war klar, dass ich ausziehen und allein wohnen wollte. So verschlug es mich im Oktober 2020 in eine Einzimmerwohnung, in der Nähe des Düsseldorfer Zentrums gelegen. Ich war allein in einer fremden Stadt und konfrontiert mit den Erwartungen, denen man als Studentin ausgesetzt ist. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass der Start einfach war.

Tag für Tag verbrachte ich vor dem Laptop und musste erst einmal herausfinden, wie so ein Studium überhaupt funktioniert. Der Austausch mit anderen Studierenden war nahezu unmöglich. Für meinen Studiengang wurde zwar vor Studienstart eine digitale „O-Woche“ (Orientierungswoche) organisiert, in der wir Hilfestellungen zur Stundenplanerstellung und allgemeine Tipps zum Studentenleben bekommen haben. Dabei gab es sogar Gelegenheit zu Privatgesprächen, denn die Neugier darüber, wer denn eigentlich die anderen Menschen sind, mit denen man zusammen in das Studium startet, war groß.

Aber rückblickend lässt sich sagen, dass dabei kaum mehr als kurzfristige Bekanntschaften entstanden sind. Denn es reicht einfach nicht, sich ein paar Mal im virtuellen Raum zu unterhalten, um eine Bekanntschaft, wenn nicht sogar eine Freundschaft zu festigen. Es fehlt die physische Interaktion, die sonst so selbstverständlich ist zwischen Vorlesungen und Seminaren oder beim gemeinsamen Essen in der Mensa. Zumindest vermute ich, dass es so ist. Selbst erfahren habe ich es bisher nicht.

So vergingen die ersten paar Wochen des Semesters, und ich bemühte mich, all meinen Verpflichtungen für das Studium nachzukommen. Doch was fehlte, war das Gefühl, überhaupt Studentin zu sein. Meine Leistungen waren zwar vollkommen akzeptabel. Doch es machte keinen Spaß, einfach nur das zu machen, was ich machen musste, und keine Entlastung, keinen Gegenpol zu haben.

So kamen die ersten Zweifel, ob das Studium die richtige Entscheidung war. Ich fing an, mir Lernplätze in der Unibibliothek zu buchen, in der Hoffnung, wortwörtlich studentische Luft schnuppern zu können und mich vielleicht endlich mit meiner neuen Rolle zu identifizieren. Dreimal war ich dazu auf dem Campus, und es fühlte sich für mich nach einem Schritt in die richtige Richtung an. Doch Mitte Dezember war auch das Lernen in der „Bib“ nicht mehr möglich. Mein Versuch, mich einem coronakonformen Studentenleben zu nähern, war gescheitert.

Zu Weihnachten fuhr ich dann das erste Mal, seit ich ausgezogen war, für einen längeren Zeitraum zurück zu meinen Eltern. Angedacht war, dass ich zehn Tage bleiben würde. Im Endeffekt verbrachte ich den gesamten Januar dort. Es zog mich einfach nichts zurück nach Düsseldorf. Im Februar raffte ich mich schließlich auf und fuhr zu meiner ersten Klausurphase doch zurück. Zwei der Klausuren schrieb ich online, aus meiner Wohnung heraus. Dabei mussten alle Prüflinge ihre Webcams durchgängig aktiviert haben. In diesem Zuge konnte ich vielen meiner Mitstudierenden zum ersten Mal ein Gesicht zuordnen, anstatt wie vorher immer nur schwarze Kästchen mit weißen Namen zu sehen.

Mein persönlicher Abschluss des Semesters war dann eine Präsenzklausur auf dem Campus der Universität. So kam es dazu, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Hörsaal betrat. Da fühlte sich der Abschluss des Semesters fast ein wenig spektakulär an.

Im Endeffekt war ich danach einfach froh, einige freie Wochen vor mir zu haben und ein sehr träges erstes Semester hinter mir zu lassen. Die Zweifel am Studium waren zwar nicht verschwunden, aber ich wollte das Ganze nicht einfach so aufgeben, nur weil das erste Semester unter erschwerten Bedingungen stattgefunden hatte. Und auch wenn das zweite Semester aktuell noch immer komplett digital stattfindet, geht es, was die allgemeine Gefühlslage betrifft, stetig bergauf.

Man kennt mittlerweile die Strukturen, hat sich an die Situation gewöhnt und sich seine eigenen Systeme geschaffen. Und mittlerweile schwingt auch schon eine gewisse Euphorie mit, denn die Chancen scheinen gut zu stehen, ab Oktober größtenteils in Präsenz studieren zu können. Bei aller Vorfreude mache ich mir jetzt, wo ich mich endlich an das digitale Studieren gewöhnt habe, sogar fast ein wenig Sorgen, mit einem Studentenleben in Präsenz vollkommen überfordert zu sein. Aber wenigstens wird es dann tatsächlich mal ein richtiges Studentenleben sein und nicht die Light-Version.

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