Potsdam Studieren in der eigenen Synagoge

Potsdam · In Potsdam gibt es den bundesweit einzigen Studiengang für Jüdische Theologie an einer deutschen Universität. Nun zieht er in ein eigenes Gebäude am Neuen Palais.

 Die kleine Synagoge am Neuen Palais im Schlosspark verbindet das Hofgärtnerhaus der preußischen Könige, in dem nun die Rabbinerausbildung ist, mit der einstigen Orangerie, dem neuen Standort der Jüdischen Theologie der Uni.

Die kleine Synagoge am Neuen Palais im Schlosspark verbindet das Hofgärtnerhaus der preußischen Könige, in dem nun die Rabbinerausbildung ist, mit der einstigen Orangerie, dem neuen Standort der Jüdischen Theologie der Uni.

Foto: epd/Rolf Zoellner

Einst lebten und arbeiteten hier die Hofgärtner des preußischen Königshauses: Doch wer in diesen Tagen das Nordtorgebäude und die Orangerie am Neuen Palais in Potsdam besucht, wird beide Häuser zumindest von innen kaum wieder erkennen: Denn hinter den mustergültig restaurierten Fassaden finden sich moderne Seminarräume, Büros – und die einzige Synagoge an einer deutschen Universität. Schließlich soll hier am 18. August das „Zentrum für jüdische Gelehrsamkeit“ eröffnen. Ein europaweit einmaliges Projekt, das die Universität der Brandenburger Landeshauptstadt weiter als eine der weltweit führenden Hochschulen im Bereich der jüdischen Theologie profilieren soll.

 Unter einem Dach werden sich dann die „School of Jewish Theology“ der Universität Potsdam sowie zwei Rabbinerseminare, das liberale Abraham-Geiger-Kolleg und das konservative Zacharias Frankel College, befinden. „Das vollendet den langen Prozess, der 1836 begann, als Abraham Geiger sagte, die Emanzipation des Judentums sei erst dann vollendet, wenn die Geistlichen-Ausbildung des Judentums mit der der christlichen Kirchen gleichgestellt sei“, sagt der Direktor des Abraham-Geiger-Kolleges, der Potsdamer Rabbiner Walter Homolka. Er ist Professor und auch stellvertretender Geschäftsführender Direktor der „School of Jewish Theology.“  Schon damals wünschte sich Geiger ein Universitätsstudium in Jüdischer Theologie – ein Wunsch, der in Potsdam im Jahr 2013 erhört wurde. Damals hatten sich unter anderem die heutige Rektorin der Berliner Humboldt-Universität, Sabine Kunst, als Brandenburger Wissenschaftsministerin und die heutige stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Klara Geywitz für die Schaffung eines entsprechenden Studienangebots eingesetzt.

Mittlerweile werden Bachelor- und Masterstudiengang stark nachgefragt: „Seit 2013 ist das Interesse größer als die Zahl der Studienplätze“, sagt Homolka. Im Durchschnitt würden in Potsdam rund 100 Studierende jüdische Theologie studieren. 31 davon bereiteten sich auf das geistliche Amt vor. Denn Rabbiner aus Potsdam sind in der Welt gefragt: Absolventen arbeiten in Südafrika, in Schweden und den USA. „Die anderen Absolventen ergreifen ganz unterschiedliche Berufe: Einige sind mittlerweile als Journalisten tätig, andere bei Stiftungen, in Parlament und Ministerien, aber auch im kulturellen Bereich“, sagt Homolka. „Was die Jüdische Theologie gegenüber der Judaistik und den Jüdischen Studien so faszinierend macht, ist der lebendige Zugang zu einer Religion, die nicht nur erforscht, sondern auch gelebt wird.“

Weswegen es unter dem Dach des neuen „Zentrums für jüdische Gelehrsamkeit“ auch die erste Universitätssynagoge in ganz Deutschland gibt. Ein funktionaler Raum, der aber durch diverse Lichteffekte eine sakrale Stimmung verbreiten kann. „Wir haben regelmäßige Wochentagsgottesdienste am Montag und Donnerstag, die auch des Erfahrungsgewinns der künftigen Rabbiner und Kantoren dienen“, sagt Homolka. Gleichzeitig soll die Synagoge aber auch in die Landeshauptstadt hineinwirken.  Auch die örtlichen jüdischen Gemeinden, die seit Jahrzehnten über den Neubau einer vom Land finanzierten Gemeinde streiten, sollen dort gelegentlich Gottesdienst feiern können. „Aber die Synagoge soll auch Nichtjuden offenstehen, zum Beispiel den Studierenden der Universität als Raum der Stille dienen, wo man sich sammeln und auch mal ein Stoßgebet vor der mündlichen Prüfung abschicken kann“, sagt der Rabbiner.

Doch was kann das Studienfach Jüdische Theologie an einer staatlichen Universität eigentlich für die Gesellschaft als Ganzes leisten? Homolka hofft, dass er und seine Kollegen ähnlich wie christliche Theologen um Rat gefragt werden, wenn im Land wieder einmal ethische Fragen diskutiert werden. „Es ist generell wünschenswert, dass neben den christlichen Kirchen auch andere Religionen gehört werden, wenn es um ethische Fragen geht“, sagt der Rabbiner. „Eine pluralistische Gesellschaft muss diese Vielzahl der Stimmen abbilden.“ Zumal das Judentum in manchen Fragen auch andere Positionen vertritt, als die christlichen Kirchen. Die Bandbreite der Themen, zu der sich die jüdische Theologie äußern könnte, reiche jedenfalls „von medizinischen Fragen wie künstlicher Befruchtung und Genetic Screening, Organtransplantation und Stammzellenforschung hin zur Wirtschaftsethik und dem Umgang mit modernen Finanzinstrumenten“, sagt Homolka.

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