Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen
EILMELDUNG
Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen

Kolumne Studentenleben So laut kann Schweigen sein

Uni-Bibliotheken haben ihre eigene Atmosphäre und Gesetze. Schweigen ist hier Pflicht – wer aber seine Ohren spitzt, entdeckt eine ganz besondere Geräuschkulisse.

 Luis Küffner studiert Musik und Medien an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.

Luis Küffner studiert Musik und Medien an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.

Foto: privat

Ich drücke so leise, wie es mir nur möglich ist, die Türklinke herunter. Ich spüre dabei die komplexe Rhythmik der dadurch in Bewegung versetzten Türschlossmechanik und betrete diesen einen Raum, in dem ich nun mit circa 250 anderen Menschen versuchen werde, zu schweigen. Und hoffentlich zu studieren.

Uni-Bibliotheken sind besondere Orte. Alles ist dort irgendwie absurd. So viel Wissen auf so viel Papier in so vielen Regalen. Wie in einer Fabrik sitzen Menschen an Tischen und blicken alle gleichzeitig auf Buchstaben. Vielleicht könnte man mit der Energie aller Gehirnaktivitäten hier drinnen einen Flughafen beleuchten? Was mich besonders beeindruckt, ist das kollektive Schweigen. Oder zumindest der Versuch.

Hält man inne und lauscht, fühlt man sich wie in einem zivilisatorischen Urwald, in dem alles lebt. Einerseits sind da Laute wie Tastaturtippen, Blättern, Stühlerücken, Türgeräusche oder das Knarzen verschiedener Schuhsolen. Ebenso haben Husten-, Nies-, Schnäuz- oder Seufz-Einwürfe, die von vereinzeltem Magengrummeln begleitet werden, höchst musikalischen Anspruch. Und natürlich dürfen auch die Klassiker nicht fehlen: hastig abklingende Wecker, Anrufe oder sonstige Messenger-Benachrichtigungstöne, die kombiniert werden mit Rückmeldungen verschiedener Betriebssysteme. Dazu vollenden stehende Lüftungs- und Rechnerklänge diese Klanginstallation, die so viel über das Menschsein aussagt.

Wir können nämlich nicht dauerhaft das ausführen, was von uns verlangt wird. Früher oder später wird es immer eine gewisse Abweichung vom geraden Weg geben, die dazu führt, dass wir etwas nicht exakt so tun, wie es vorgesehen ist.

Computer könnten das ziemlich gut, wahrscheinlich sogar für immer, solange es Strom gibt. Denn im Gegensatz zu uns ablenkbaren, inkonsequenten Wesen, erledigt der PC eine aufgetragene Handlung so lange, bis eine neue die alte ablöst – oder das System gestört wird. Und das ist auch irgendwie gut so. Denn unsere Realität, unser Leben verläuft alles andere als linear. Ich denke, diese Tatsache sollte man sich von Zeit zu Zeit vor das innere Auge führen. Es nimmt tatsächlich viel Druck, wenn man weiß, dass Linearität für uns Menschen ziemlich unnatürlich ist und es sich dabei um ein gesellschaftliches, realitätsfernes Idealbild handelt. Ganz egal, ob es den eigenen Lebenslauf, die persönliche Entwicklung oder irgendeine andere Tätigkeit meint.

Schon erstaunlich, wohin man abschweifen kann, wenn man doch eigentlich lernen sollte – und dabei stillschweigend in der Bibliothek sitzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort