Bochum: Die Ruhr-Uni ist Partnerhochschule für Spitzensportler aus vielen Disziplinen. Zwischen Hallenbad und Hörsaal
Bochum · An der Ruhr-Uni in Bochum können Athleten des Olympia-Kaders Sport und Studium optimal vereinbaren.
Wenn Poul Zellmann morgens um sieben auf dem Startblock steht, drehen sich die meisten seiner Kommilitonen gerade nochmal gemütlich auf dem Kissen um. Oder trinken den ersten heißen Kaffee des Tages, während ihr Kommilitone ins kalte Wasser springt. 26 bis 28 Stunden trainiert der 23-Jährige in der Woche, seinen großen Traum immer im Blick: die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
Wie es sich anfühlt, Gold zu gewinnen, weiß Poul Zellmann seit den Deutschen Meisterschaften im vergangenen Jahr in Berlin: Dort siegte er über 400 Meter Freistil, bei den Europameisterschaften in Glasgow landete er auf dem siebten Platz. Für sein großes Ziel schwimmt er jeden Morgen von 7 bis 9 Uhr im Olympiastützpunkt in Essen, fährt dann zur Uni nach Bochum. Dort studiert er Wirtschaftspsychologie. Von 16.30 bis 20 Uhr ist dann wieder Training angesagt, Fitness und Schwimmen.
„Natürlich ist das ziemlich stressig, ich bin immer auf dem Sprung. Von der Schwimmhalle schnell umziehen, in die Uni, wieder zurück. Und je näher Tokio rückt, desto mehr wird der Sport in den Fokus rücken. Deshalb bin ich froh, dass die Uni mich unterstützt. Ich muss mein Studium nicht in der Regelstudienzeit schaffen“, sagt Poul Zellmann.
Denn als Partnerhochschule des Spitzensports setzt sich die Ruhr-Universität dafür ein, dass Kader-Athleten ihr Studium trotz Terminkollisionen mit Wettkämpfen und Trainingslagern absolvieren können. Sie ist eine von 100 Hochschulen in Deutschland, die die derzeit etwa 1200 studentischen Spitzensportler unterstützen. „Wir wollen eine duale Karriere möglich machen, damit die jungen Leute frühzeitig auf ein Leben nach der Sportkarriere vorbereitet sind und eine gute Ausbildung bekommen“, sagt Ines Lenze, Leiterin des Hochschulsports an der Ruhr-Universität. „Das ist wichtig, denn erstens verdienen sie oft bei weitem nicht so viel, als das es für ein Leben nach dem Sport reichen würde. Und zweitens muss man immer mit Verletzungen rechnen“, sagt sie.
Studium und Sportkarriere gleichzeitig zu absolvieren ist extrem anstrengend – aber es sichert die Zukunft und ist deshalb unbedingt zu unterstützen.“
So sensibilisieren die Mitarbeiter des Hochschulsports die Fakultäten und Prüfungsämter für das Thema Leistungssport. Sie helfen etwa dabei, wenn eine Jura-Klausur mit einem Trainingslager in Südafrika kollidiert. „Da muss man dann auch mal mit dem Professor verhandeln, der die Klausur für 400 Leute stellt, dass er für den einen Studierenden eine Ausnahme macht“, sagt Ines Lenze. „Man findet vielleicht einen Zweitschreibe-Termin, oder vereinbart, dass statt der Klausur eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben werden kann. Oder wir haben auch schon mal einen Sportler eine Klausur online im Ausland mitschreiben lassen.“
Auch Poul Zellmann versucht, möglichst Prüfungsformen wie Referate oder Hausarbeiten zu wählen, um nicht von Klausurterminen abhängig zu sein. „Da muss man mit den Referatsterminen natürlich auch schauen, und manche Dozenten wundern sich dann schon, wenn man sagt, dass man an bestimmten Seminarterminen gar nicht in Deutschland ist.“ Bisher sei er aber mit seinen Dozenten und Kommilitonen immer gut übereingekommen. „Ich muss natürlich viel Lernstoff alleine nachholen. Wichtig sind dafür meine Kommilitonen. Die halten mich auf dem Laufenden und bringen mir Mitschriften mit. So zu lernen – also ohne die Vorlesung gehört zu haben – musste ich auch erst lernen.“
Poul Zellmann möchte mit seinem Wirtschaftspsychologie-Studium schon den Grundstein für seine berufliche Zukunft nach dem Sport legen. „Ich schwimme seit der dritten Klasse, war auf einem Sportinternat und habe mich vor dem Abitur dazu entschieden, Leistungsschwimmer zu werden. In Essen ist einer des Bundesstützpunkte für Schwimmer, deshalb bin ich von Magdeburg ins Ruhrgebiet gekommen.“ An seinem Studium reizen ihn die Vielfältigkeit und die guten Zukunftschancen. „Es macht mir Spaß – und es ist eine gute Abwechslung zum Sport.“
Das hört auch Ines Lenze oft von den rund 50 Olympia-Kader-Athleten, die derzeit in Bochum studieren. „Das Studium, die geistige Herausforderung ist für sie eine wichtige Ergänzung.“ Und deshalb unterstützt die Hochschule ihre Sportler auch finanziell: Sieben der Spitzenathleten werden monatlich mit dem Deutschland-Stipendium in Höhe von 300 Euro unterstützt.