Berufe der „Sprechenden Therapie“ Psychologie-Experten dringend gesucht

Köln · Psychologie ist ein weites Feld, und der Bedarf an Beratung und Behandlung nach der Pandemie gestiegen. Doch wer darf eigentlich wen und auf welche Weise behandeln? Wege durch ein kompliziertes Studienfach.

 Der Bedarf für psychotherapeutische Behandlungen in Deutschland ist groß.

Der Bedarf für psychotherapeutische Behandlungen in Deutschland ist groß.

Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn/Mascha Brichta

Psychologe, Psychiater, Psychotherapeut: Das sind Berufsbezeichnungen, die für den Laien ineinanderfließen und die er gerne durcheinander bringt. Aber wer darf eigentlich wen und auf welche Weise behandeln? Alle Berufe gehören zum Berufsfeld der sogenannten „sprechenden Therapie“. Und sie wird aktuell mehr denn je benötigt. Stephan Bender ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Uniklinik Köln Er erklärt die bisherigen und erneuerten Studiengänge.

Psychologie

Das Psychologiestudium ist bislang ein Masterstudium, das an einer Universität absolviert wird. Möglich ist dies beispielsweise in Düsseldorf, Köln, Wuppertal, Bochum, Münster oder Osnabrück. Die Berufsfelder eines Psychologen können in der Schulung, dem Coaching oder der wissenschaftlichen Forschung liegen. Nach Abschluss des Studiengangs Psychologie erwirbt der Absolvent jedoch noch keine Qualifikation zur Durchführung einer Psychotherapie.

Um Psychotherapien durchführen zu können, ist eine mindestens dreijährige postgraduale Ausbildung zum Psychotherapeuten im Anschluss an das Studium der Psychologie notwendig. Sie ist kostenpflichtig. Die Kosten muss der Studierende selbst übernehmen. Diese Ausbildung können Studierende beispielsweise beim Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (Akip), angeschlossen an die Uni Köln, oder an den Ausbildungszentren der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie DGVT absolvieren.

Direktstudiengänge „Psychotherapie“ Stephan Bender macht darauf aufmerksam, dass dieses zuvor beschriebene Prozedere aktuell durch den Direktstudiengang Psychotherapie als Masterstudiengang abgelöst werden soll. Nach drei Jahren Bachelor- und zwei Jahren Masterstudiengang im neuen Studiengang führe er wie bei den Ärzten zu einer Approbation. Der Master an der Universität Köln wird ab dem Wintersemester 2023/2024 60 Studienplätze umfassen. „Die verpflichtenden Praktika, werden jeweils hälftig einen Erwachsenen- und einen Kinderschwerpunkt haben“, erklärt Bender. Allerdings sei in diesem Ausbildungssystem eine mehrjährige Weiterbildung parallel zur Berufstätigkeit erforderlich, um die Zulassung zur Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten zu erlangen.

Bender ist überzeugt, „dass die Anzahl der künftigen Studienplätze für den Studiengang Psychotherapie unter den bisherigen Ausbildungsplätzen der Ausbildungsinstitute liegen wird.“ Außerdem sei bislang ungeklärt, wie die erwähnte Weiterbildung angeboten werden könne. Bender erwartet und befürchtet „deutliche Engpässe bei der Zurverfügungstellung von Weiterbildungsstellen“. Die logische Folge wäre ein künftiger Mangel an Psychiatern und psychotherapeutischen Therapieplätzen.

Psychiatrie

Das Psychiatriestudium sieht ein sechsjähriges Medizinstudium vor, das ein praktisches Jahr mit einbezieht. Nach dem Abschluss und der Approbation folgt eine fünfjährige berufsbegleitende Weiterbildung bei einem Arzt mit entsprechender Befugnis. Danach ist man Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder -psychotherapie oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Knappes Angebot

Das neue Ausbildungssystem werde, so Bender, die jetzige Situation mit bereits zusammengebrochenen Wartelisten auf Kinder- und Jugendpsychotherapeutische Therapieplätze weiter verschärfen. „Um den Mangel an Kinder- und Jugendpsychiatern zu beheben, wäre es notwendig, die ‚sprechende Medizin‘ gegenüber der apparativen, technologisierten somatischen Versorgung aufzuwerten und psychosoziale und kinder- und jugendpsychiatrische Inhalte in ausreichender Form in das Medizinstudium als verpflichtende Inhalte zu integrieren“, sagt er. Der Erfolg stehe und falle mit der Finanzierung. „Der neu aufgelegte Studiengang muss ausreichend einschließlich seiner praktikumsbezogenen Aspekte durch die Länder refinanziert werden, damit es nicht zu einer deutlich qualitativen Verschlechterung der Ausbildung der Kinder und Jugendlichenpsychotherapeutinnen gegenüber dem bisherigen System kommt,“ mahnt Bender. Auch die Finanzierung der berufsbegleitenden Weiterbildungsstellen müsse gewährleistet sein.

Die Coronapandemie hat die Situation in der therapeutischen Versorgung weiter verschärft – darin sind sich Experten einig. Die Zahl psychisch belasteter Kinder und Jugendlicher hat während der Pandemie zugenommen. Dies belegen Studien wie etwa die bundesweit durchgeführte Copsy-Studie (Corona und Psyche). Sie untersuchte über den Zeitraum von zwei Pandemiejahren unter anderem die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren. Das Ergebnis der Online-Befragung: Während der Pandemiejahre nahm die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit seelischer oder psychischer Belastung kontinuierlich zu.

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