Interview Gero Federkeil vom Centrum für Hochschulentwicklung Womit Elite-Unis punkten
Gütersloh · In Studium und Lehre haben deutsche Universitäten Nachholbedarf, wie ein internationales Hochschulranking zeigt.
Wie gut sind die deutschen Hochschulen? Warum haben wir keine international bekannten Spitzen-Unis wie Harvard oder Cambridge? Gero Federkeil hat sich für das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und das internationale Hochschulranking „U-Multirank“ mit diesen Fragen beschäftigt.
Herr Federkeil, wie gut sind die deutschen Unis im internationalen Vergleich?
Federkeil Im Bereich Forschung und Wissenstransfer schneiden sie insgesamt sehr gut ab. Anders sieht das aber im Bereich Studium und Lehre aus: Die sogenannte „Graduation Rate“, also die Zahl der Studienanfänger, die dann auch das Studium beendet, ist in Deutschland im internationalen Vergleich zu gering, und auch die Regelstudienzeit wird hierzulande oft überschritten. Das führt dazu, dass die deutschen Hochschulen auf diesem Gebiet unterdurchschnittlich abschneiden. In viele Fächern ist zudem das Zahlenverhältnis von Lehrenden zu Studierenden, im internationalen Vergleich ungünstig.
Wie funktioniert „U-Multirank“ grundsätzlich, und wie unterscheidet es sich von anderen Rankings?
Federkeil U-Multirank ist das einzige globale Ranking, das neben der Forschungsleistung auch die Lehre, die internationale Orientierung, das regionale Engagement und den Wissenstransfer in den Vergleich der Hochschulen einbezieht. Die Entwicklung von U-Multirank als unabhängiges globales Ranking wurde von der EU angestoßen und finanziert. Inzwischen haben wir Daten zu 1600 Hochschulen aus fast 100 Ländern, die in den fünf Leistungsbereichen Studium und Lehre, Forschung, Wissenstransfer, Internationales Engagement und Regionale Vernetzung anhand von 35 Indikatoren verglichen werden. Neben dem Vergleich der ganzen Hochschulen umfasst U-Multirank auch 21 Fächer-Rankings. Wir machen keine medienwirksamen Ranglisten für die 500 besten Hochschulen. Stattdessen werden diese bei jedem Indikator fünf Gruppen von „A“ – sehr gut – bis „E“ – schwach – zugeordnet. Dadurch werden die Profile der Hochschulen, ihre spezifischen Stärken und Schwächen sichtbar.
Anders als viele andere Rankings lässt U-Multirank auch Studierende zu Wort kommen.
Federkeil Das stimmt. In den 21 Fächern haben sich rund 100.000 Studierende an einer Befragung zu ihrer Studiensituation beteiligt. Und das Erstaunliche ist: Obwohl die deutschen Hochschulen im Bereich Studium und Lehre bei den genannten Indikatoren unterdurchschnittlich abschneiden, sind die Studierenden recht zufrieden. Sie sind zwar im internationalen Vergleich langsamer und die Bereuung ist an den hiesigen Unis nicht so gut – die Hochschulen schaffen es aber, dass die Studierenden mit der Qualität des Lehrangebots zufrieden sind.
Wieso ist die Betreuung an den Top-US-Unis wie Harvard, Stanford oder Yale denn so gut?
Federkeil Die Hochschulen sind im Vergleich mit einer durchschnittlichen deutschen Universität einfach kleiner. Also: In Harvard gibt es rund 23.000 Studierende, in Yale 12.000 und in Stanford knapp 17.000, an der TU München sind es aber 39.000 und an der RWTH Aachen 45.000. Das heißt, mehr Personal betreut an den internationalen Elite-Hochschulen eine deutlich geringere Zahl an Studierenden – Harvard hat rund 10.000 akademische Angestellte, die TU München die Hälfte. Natürlich spielt auch das Budget eine Rolle, da befinden sich die US-Unis in einer ganz anderen Liga.
Was unterscheidet die deutschen Hochschulen noch von den internationalen Top-Unis?
Federkeil Unterschiede zeigen sich in der Spitzenforschung, etwa bei den Zitationsraten, also wie oft die Publikationen der Hochschulen von anderen Wissenschaftlern zitiert werden. Die Publikationen des MIT (Massachusetts Institute of Technology) werden 2,3-mal so oft zitiert wie der Weltdurchschnitt. Zum Vergleich: Die besten deutschen Unis liegen bei rund 1,3-mal.
Welche sind denn die besten deutschen Hochschulen?
Federkeil Häufig in der Spitzengruppe der 35 Indikatoren von U-Multirank finden sich einige private Hochschulen wie die WHU oder die Jakobs-Universität, ebenso staatliche wie die TU München, das Karlsruher Institut für Technologie, die Uni Erlangen-Nürnberg oder auch die Humboldt-Uni in Berlin. Außerdem muss man betonen: U-Multirank zeigt auch, wie stark unsere Fachhochschulen in einzelnen Bereichen sind. Denn schaut man, wie oft Hochschulen Publikationen mit Praxispartnern aus der Wirtschaft veröffentlichen, finden sich drei deutsche Fachhochschulen unter den weltweit Top 25. Das sind die Technische Hochschule Nürnberg, die Hochschulen München und Reutlingen.
Wo besteht hierzulande denn aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?
Federkeil Wir brauchen sicher Innovationen in den Lehrformen, gerade in Richtung problem-orientiertes Lernen. In der Forschung geht es darum, sich auf Kerngebiete zu spezialisieren. Das ist ein Prozess, der schon begonnen hat. Die deutschen Unis können nicht quer über alle Fächer internationale Spitzenforschung betreiben. Die Hochschulen sind schon dabei, sogenannte Leuchtturmfächer einzurichten, in denen sie ihre Forschung besonders konzentrieren. Man muss auch immer bedenken: Auch die größten deutschen Hochschulen verfügen lediglich über ein Viertel des Budgets von Harvard.