Hochschule Niederrhein Sicher auf dem Börsenparkett

Mönchengladbach · An der Hochschule Niederrhein haben Studierende die Prüfung zu Eurex-Derivatehändlern absolviert. Allerdings: Nach 16 Jahren stellt die Deutsche Börse dieses Angebot ein. Die Hochschule zeigt sich enttäuscht.

 Die Skulpturengruppe "Bulle und Bär" vor der Frankfurter Börse.

Die Skulpturengruppe "Bulle und Bär" vor der Frankfurter Börse.

Foto: dpa/Silas Stein

Drei Stunden Zeit, 125 Fragen, und am Schluss winkt der Titel des Derivate-Händlers: Gerade erst haben sechs Studierende der Hochschule Niederrhein die Prüfung zu Eurex-Derivatehändlern bestanden und haben ein offizielles Zertifikat der Deutschen Börse in der Tasche. Rund 130 Studierende haben die Prüfung in den vergangenen 16 Jahren parallel zum – meist wirtschaftswissenschaftlichen – Studium an der Hochschule abgeschlossen. Doch nun soll Schluss sein mit dem Angebot der Deutschen Börse.

Bernd Müller, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Niederrhein, hat die Studierenden auf diese freiwillige Zusatzqualifikation vorbereitet. „Sie haben sich die Nächte um die Ohren geschlagen. Zusätzlich zum Studium und zu Nebenjobs dafür zu lernen, erfordert viel Motivation und Disziplin“, sagt Bernd Müller. Das Zertifikat attestiert den Teilnehmenden nun „sehr vertiefte Kenntnisse im Derivate-Bereich – vergleichbar mit dem Wissen, das jemand hat, der das beruflich macht“.

16 Jahre lang konnten Studierende diese Zusatzqualifikation erwerben. Bernd Müller war von Anfang an dabei: „Die Deutsche Börse wollte finanzwirtschaftliches Wissen in die akademische Ausbildung integrieren. Zu Beginn lief das über externe Referenten der Capital Marketing Academy, einer Weiterbildungsinstitution der Deutschen Börse, später wurden die Inhalte in den Lehrplan integriert, etwa in die Vorlesung zu Kapitalmärkten und internationalen Finanzierungen. Als von Anfang an beteiligter Professor war es mir wichtig, meine Studierenden optimal auf die Prüfung vorzubereiten.“

Die Studierenden haben durch das Zertifikat einen klaren Vorteil: Diejenigen, die nach dem Abschluss in den Finanz- und Bankingbereich streben, haben ein Vorwissen, das man im Studium sonst nicht vermittelt bekommt. Auch für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist das ein Mehrwert.

Professor Bernd Müller (hinten links) und IT-Support Michael Lankes ((hinten rechts) mit den Absolventen des letzten Lehrgangs "Zertifizierter Börsenhändler Eurex" an der Hochschule Niederrhein.

Professor Bernd Müller (hinten links) und IT-Support Michael Lankes ((hinten rechts) mit den Absolventen des letzten Lehrgangs "Zertifizierter Börsenhändler Eurex" an der Hochschule Niederrhein.

Foto: Hochschule Niederrhein

Umso enttäuschter ist Bernd Müller darüber, dass die Deutsche Börse ihre Capital Markets Academy zum 31. Dezember schließt und die langjährige Zusammenarbeit mit der Hochschule damit endet. Die Kündigung ging nur wenige Wochen vor der Prüfung ein. Er bedauert nicht nur die Kurzfristigkeit dieser Entscheidung, sondern vor allem die Tatsache, dass dieses anerkannte Weiterbildungsangebot im Deutschen Finanzsegment ganz eingestellt wird. „Studien haben gezeigt, dass die Hälfte der Befragten es wichtig empfinden, über Finanzen Bescheid zu wissen. Dieser Schritt der Schließung passt daher nicht in die Zeit.“ Über die Gründe der Schließung gab es bisher keine Information.

„Mir tut es besonders leid für die Studierenden, die diese Chance der Weiterbildung gerne in Zukunft genutzt hätten. Denn die Studierenden verlieren bei dieser Entscheidung. Wir haben alle Anforderungen der Börse umgesetzt, es ist schade, dass diese sich ohne Angaben von Gründen uns gegenüber aus dem Bildungsauftrag verabschiedet. Statt eines Rückzugs bräuchten wir mehr finanzwirtschaftliches Engagement“, so Müller.

Caroline Judith Mann und Jonathan Hausmann sind froh, zum letzten Jahrgang zu gehören, der die Chance auf dieses Zertifikat hatte. Beide loben die Hochschule für die gute Vorbereitung. „Ich hatte schon früh Interesse an Finanzmärkten. Das Zertifikat ist ein Mehrwert für meinen Lebenslauf“, schildert Hausmann seine Motivation. Mit 91 Prozent richtig beantworteter Fragen hatte der 25-Jährige das beste Prüfungsergebnis. Genau wie er kann sich auch Caroline Judith Mann vorstellen, beruflich im Finanzmarkt Fuß zu fassen. „Für mich ist es eine große Ehre, zur letzten Generation zu gehören, die eine solches Zertifikat erlangen kann“, sagt die 21-Jährige.

Auf Anfrage unserer Redaktion äußerte sich die Deutsche Börse wie folgt zu dem Rückzug aus der Kooperation, die nicht nur mit der Hochschule Niederrhein, sondern auch mit namhaften Universitäten wie der LMU München oder der Goethe-Universität in Frankfurt bestand: „Die Deutsche Börse hat ihr Wissens- und Trainingsangebot auch mit Blick auf die Erfahrungen aus der Pandemie neu strukturiert. Dadurch werden einige Seminare nicht mehr angeboten. Hierzu zählt unter anderem der Lehrgang ,Zertifizierter Börsenhändler Eurex’. Dieser Lehrgang war Grundlage für die Kooperation mit mehreren Hochschulen, darunter auch die Hochschule Niederrhein.“ Weiter heißt es: „Ohne diesen Lehrgang ist es leider nicht sinnvoll möglich, die Prüfung sowie das zugehörige Studienmaterial zu pflegen und aktuell zu halten. Die Hochschulen wurden im August 2022 erstmals darüber informiert, dass wir die Prüfungen einstellen werden. Dabei hat die Deutsche Börse angeboten, eine letzte Prüfung für das Wintersemester 2022/23 durchzuführen. Die formelle Kündigung der Kooperation erfolgte im November. Somit verblieb den Hochschulen ausreichend Zeit, dies für die Planung des Sommersemesters 2023 zu berücksichtigen.“

Die Deutsche Börse betont, dass sie weiterhin die ökonomische Bildung stärken möchte, insbesondere zu den Themen Kapitalmarkt und Altersvorsorge: „Hierbei setzen wir auch künftig auf einen Mix aus Präsenz-Seminaren und Online-Formate sowie die Möglichkeit zum Besuch in unserem neuen, interaktiven Besucherzentrum in der Frankfurter Börse. Weiterhin bietet die Deutsche Börse auch Formate für spezielle Zielgruppen an. Dazu zählt zum Beispiel die Prüfung zum Qualifizierten Aufsichtsrat sowie die Prüfung im Rahmen unseres Zulassungsprozesses von Handelsteilnehmern.“

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