Düsseldorf Studieren – oder lieber doch nicht?

Düsseldorf · Möchte ich an die Uni? Diese Frage sollten sich Abiturienten jetzt beantworten. Noch gibt es gute Ausbildungsplätze.

 Egal, ob man sich für Wissenschaft oder Handwerk entscheidet: Unzählige Möglichkeiten Neues zu entdecken und auszuprobieren, gibt es in beiden Berufssparten.

Egal, ob man sich für Wissenschaft oder Handwerk entscheidet: Unzählige Möglichkeiten Neues zu entdecken und auszuprobieren, gibt es in beiden Berufssparten.

Foto: dpa/Philipp Brandstädter

Die Zahlen der Abiturienten steigen jedes Jahr. Rund 80.000 Schüler legen in NRW die Abiprüfungen ab. Und die meisten von ihnen strömen anschließend an die Hochschulen. Dagegen klagen Handel und Handwerk über fehlende Fachkräfte und zu wenig Azubis. „Und genau deshalb sollten Abiturienten sich jetzt überlegen, ob sie wirklich studieren wollen“, sagt Karin Wilcke, Studienberaterin aus Düsseldorf.

Dass das eine unliebsame Entscheidung sei, gerade jetzt, wo es mit dem Lernen für die Prüfungen so richtig los gehe, sieht die Expertin durchaus. „Aber eine Ausbildung hat auch viele Vorteile – und die Unternehmen wollen die Verträge jetzt festmachen. Das Ausbildungsjahr startet schließlich schon im August oder September.“ Gerade wer kein außerordentlich gutes Abitur mache, sei mit einer Ausbildung oft besser beraten. „Das Studium läuft ja nicht weg. Und mit der Wartezeit habe ich nach der Lehre eine weitaus größere Auswahl an Fächern. Will ich jetzt mit einer Drei vor dem Komma studieren, muss ich nehmen, was übrig ist.“

Wichtig sei, sich zu überlegen, welcher Typ man ist: Möchte ich mich nach dem Lernen fürs Abi weiter in Bücher vergraben? Bin ich der Typ Wissenschaftler, der gerne forscht und lernt? Oder ist es Zeit, praktisch zu arbeiten? Bin ich ein zupackender Typ? „Für viele ist der Weg ins Studium scheinbar der Weg des geringsten Widerstandes“, sagt Karin Wilcke. „Eine Berufsausbildung kämpft dagegen mit Stereotypen: Etwa, dass ich früh aufstehen muss und die Ausbilder streng sind. Ein Studium dagegen wirkt gemütlich und verlockend – und für die Studienplatzbewerbung muss ich keinen Lebenslauf schreiben.“

Die Wahrheit sei dagegen, dass man sich an der Uni sehr gut selbst organisieren müsse, sagt die Studienberaterin. „Da passt keiner auf, dass ich mich auch an meinen Stundenplan halte und mein Referat gut vorbereite. Man muss sich selbst motivieren und sich hinsetzten und eine Vorlesung nachbereiten.“ Selbstständiges Lernen umfasse einen großen Teil des Studiums.

Eine Ausbildung dagegen gibt klare Strukturen vor, es gibt Zwischenziele und Feedback von Kollegen. „Und man wird mit offenen Armen empfangen“, sagt Wilcke. „Industrie und Handwerk haben derzeit wirklich attraktive Angebote – viele Unternehmen bieten Abiturienten zum Beispiel eine verkürzte Ausbildung an.“

Auch das Argument, dass man mit abgeschlossenem Studium mehr verdiene als nach der Ausbildung, entkräftet die Studenberaterin: „Nach einer technischen Ausbildung beispielsweise ist der Verdienst genauso hoch wie nach dem Bachelor. Gut ausgebildete Fachkräfte haben beste Verdienstchancen auf dem Arbeitsmarkt, auch ohne Studium.“

Abgeschreckt seien Abiturienten oft von der Angabe „mittlerer Bildungsabschluss“ hinter Stellenausschreibungen. „Das ist ja aber nur die Mindestanforderung“, so Wilcke. „Früher hatten eben nur sehr wenige Menschen Abitur, und die gingen an die Hochschulen. Es war klar: Mit Abi studiert man auch. Daher kommt auch der Bewerbungsschluss 15. Juli an den Hochschulen. Dieser liegt etwa einen Monat nach der Vergabe der Abizeugnisse. Mit der riesigen Zahl an Abiturienten hat sich diese Praxis nun verändert. Und die Firmen haben ein großes Interesse daran, Abiturienten als Azubis einzustellen.“ Schließlich seien diese etwas älter und brächten mehr Schulbildung mit. Allerdings wirbt die Studienberaterin auch bei den Unternehmen dafür, spätere Bewerbungsfristen einzuführen – dort gelte leider oft noch: Je größer der Konzern, desto früher die Frist. „Das entspricht nicht mehr der Realität, angesichts des Fachkräftemangels sollte man sich auf kürzere Bewerbungsfristen einstellen und den Abiturienten so entgegenkommen.“

 21.02.2019, Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: Mit einem Hobel werden Holzteile für den Instrumentenbau in der Werkstatt für historische Tasteninstrumente bearbeitet. In der 2003 eröffneten Werkstatt für Kleinorgeln und Cembalos werden nicht nur Instrumente gebaut und repariert, regelmäßig werden auch Kurse zum Nachbau von historischen Instrumenten angeboten. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

21.02.2019, Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: Mit einem Hobel werden Holzteile für den Instrumentenbau in der Werkstatt für historische Tasteninstrumente bearbeitet. In der 2003 eröffneten Werkstatt für Kleinorgeln und Cembalos werden nicht nur Instrumente gebaut und repariert, regelmäßig werden auch Kurse zum Nachbau von historischen Instrumenten angeboten. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Jens Büttner

Im Übrigen: Dass man sich jetzt nicht für ein Studium entscheidet, heißt ja noch lange nicht, dass es später nicht doch das Richtige ist. „Die Erfahrung zeigt: Wer erst eine Ausbildung macht, weiß später viel besser, was er studieren möchte, und zieht es dann auch durch“, sagt Karin Wilcke. „Dagegen gibt es unter der riesigen Zahl an Studienanfängern derzeit eine Abbrecherquote von einem Drittel.“ Nach einer Ausbildung dagegen habe man meist einen genauen Plan, wo man beruflich hinmöchte, und studiert dementsprechend zielgerichtet. „Oft unterstützen die Unternehmen den Wunsch ihrer fertigen Azubis nach einem Studium auch – zum Beispiel, indem sie parallel zum Studium in der Firma arbeiten und anschließend wieder einsteigen können.“

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