Kolumne Dozentinnenleben Wert-Stoff-Magie

„Unser Leben ist mehr als eine Summe von Wegwerfprodukten“, schreibt unsere Autorin. Gedanken über Elektro-Abfall, E-Mobilität und Nachhaltigkeit.

 Edda Pulst ist Professorin an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen.

Edda Pulst ist Professorin an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen.

Foto: Laura Breuer

Es war wunderschön. Dazu der Name: Wert-Stoff-Hof. Sein Parkplatz diente uns in der Pandemie als Treffpunkt. Vor Schrott-Containern philosophierten wir über Bücher und Corona-Demut. Das Klima wollten wir schützen. Uns nie mehr von Flugreise zu Flugreise hangeln, statt dessen das Jetzt auf der Heimatscholle genießen.

Die guten Vorsätze gibt es nicht mehr, den Wert-Stoff-Hof schon. Eine bunte Mischung Wohlstands-Müll: Tablets, Batterien und Smartphones. Die weggeworfenen Smartphones deutscher Haushalte entsprechen dem Rohstoffbedarf neuer für die nächsten zehn Jahre. Weltweit summiert sich Elektro-Abfall auf 50 Millionen Tonnen. Geschätzter Wert: 55 Milliarden Euro. Vieles davon landete bislang in Ghana, wo die Armen die giftigen Müllberge der Reichen durchsuchen.

Mit E-Mobilität wendet sich das Blatt. Rohstoffe wie Kobalt, Lithium und Seltene Erden sind rar, die Kupfer-Nachfrage steigt – der Kupfer-Klau auch. Dazu fallen für die Produktion einer einzigen Lithium-Ionen-Autobatterie (LIB) vier bis 15 Tonnen CO2 an. Das neue Geschäftsmodell heißt „Wiederverwenden“. Eine Firma im Siegerland kann das, recycelt mehr als 96 Prozent aller Rohstoffe aus LIB-Akkus. Ich war dort und durfte lernen, wie die Anlage Akku-Müll von Batterie- und Autofirmen schreddert, Kunststoff- und Metallteile aussortiert. Und aus der restlichen Sulfat-Suppe „Black Mass“ die kostbaren Rohstoffe zaubert. Alles bleibt im Kreislauf, der CO2-Fußabdruck für neue Batterien fällt klein aus.

Ein bekannter Autohersteller startet mit der Primobius-Anlage. Komponenten mit CO2-neutralem Akku-Recycling, in der nächsten Produktgeneration wiedereingesetzt, sie werden zum profitablen Alleinstellungsmerkmal einer Autoindustrie, deren Protagonisten vor kurzem noch Abgaswerte manipulierten.

Kreislaufwirtschaft: In meinem Veranstaltungen steht deren Digitalisierung im Mittelpunkt. Informationstechnik kann über Material im Umlauf informieren. Prognostizieren, wann es zurückkommt. Zulieferer einbinden. Partnerschaften empfehlen. Beim „Urban Mining“ helfen, das heißt, bei dem Wissen darüber, wie sich das Produkt am Ende auseinandernehmen lässt.

Abfall vermeiden schützt das Klima. Brauchen wir wirklich alle 24 Monate ein neues Handy? Müssen wir Autos wie Götter verehren, obwohl uns die Masse von privatem Blech in Wohngebieten und Städten nervt? Vielleicht wollen wir das Blech nur benutzen und nicht besitzen. Unser Leben ist mehr als eine Summe von Wegwerfprodukten.

Treffen wir uns mal wieder. Zum Philosophieren. Am Wert-Stoff-Hof.

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