Kolumne Dozentinnenleben Was das Abitur wert ist

Das Abitur ist und bleibt der Schlüssel zum Studieren. Und auch wenn die Anforderungen an den Abschluss in der Vergangenheit gesunken sein mögen, gilt: Entscheidend ist, was jeder daraus macht. Dabei sind Noten übrigens nur ein Steinchen im großen Mosaik der Berufsfindung.

 Karin Wilcke ist selbstständige Studienberaterin und Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Karin Wilcke ist selbstständige Studienberaterin und Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Schaller,Bernd (bs)/Schaller, Bernd (bs)

„Ist mein Abi nichts wert? Habe ich ein Corona-Abi, ein Gnaden-Abi oder gar ein Looser-Abi, wie schon zu lesen war?“ Das fragen sich die aktuellen Abiturienten besorgt.

Unbestritten sind die Anforderungen an diesen Schulabschluss in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Doch dass sich die jetzige Abiturienten-Generation Sorgen darüber machen müsste, ob das Abi überhaupt etwas wert sei, ist wirklich übertrieben. Es berechtigt nach wie vor zum Studium, und nur für Medizin, wo es mehr Einser-Abiturienten als Studienplätze gibt, müssen weitere Hürden (wie ein möglichst gut bestandener Test) genommen werden.

Für alle Schulabgänger gilt – wie schon vor 50 Jahren – das Abi ist soviel wert, wie ich daraus mache. Ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass einem auch mit einem sehr guten Abi nicht alle Lerninhalte eines Studiums in den Schoß fallen werden, finde ich gut. Das lässt Erstsemester ihr Studium vom ersten Tag an wirklich ernst nehmen, trotz aller Ablenkung und toller Ersti-Partys. Und dieses Bewusstsein führt vielleicht dazu, dass manche ihren Studienwunsch etwas genauer betrachten und sich gut über die Inhalte informieren und vor allem die Anforderungen, die so ein Studium stellt, in den Blick nehmen.

Die höchsten Abbrecherquoten verzeichnen die Ingenieurwissenschaften. Da ist es für das Selbstvertrauen zu Beginn des Studiums außerordentlich hilfreich, zuvor eine betriebliche Ausbildung in einem technischen Beruf absolviert zu haben. Denn so ein Abitur, ob zu Coronazeiten abgelegt oder nicht, behält seine Gültigkeit ein Leben lang. Der Studienplatz läuft also nicht weg.

Die Bedeutung der Abiturnote wird genau wie das Hochschulzeugnis allgemein total überschätzt, wenn es um die Bewerbung bei einem Arbeitgeber geht. Hier zählen viel mehr außerschulische Aktivitäten, soziales Engagement und besondere Interessen. Das kann auch im Sport sein. Oder es sind vielleicht Serien, die man in Englisch guckt und damit ganz nebenbei die Sprachkenntnisse verbessert. Große Firmen haben sogar eigene Tests für alle, die sich bei ihnen um eine Ausbildungsstelle bewerben, weil sie wissen, dass Schulnoten immer nur einen kleinen Ausschnitt des Wissens und Könnens abbilden.

Allen, die gerade an ihrer Qualifikation zweifeln, mit den Umständen hadern oder düster in die Zukunft blicken, sich gar als letzte Generation sehen, kann ich nur empfehlen, sich aufzuraffen, MINT-Fächer erfolgreich zu studieren und damit zur ersten Generation zu werden, die zur Rettung des Weltklimas wirklich etwas beigetragen hat.

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