Kolumne Dozentenleben Kalt erwischt

Unsere Autorin erinnert sich an ihr erstes Bewerbungsgespräch. Was sie damals aus einem kleinen Fehler gelernt hat und warum der Blick über den Uni-Tellerrand so wichtig ist.

 Karin Wilcke ist selbstständige Studienberaterin und Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Karin Wilcke ist selbstständige Studienberaterin und Dozentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Schaller,Bernd (bs)/Schaller, Bernd (bs)

Ich habe immer sehr viel Verständnis dafür, wenn Hochschulabsolventen sich bei ihren ersten Bewerbungen blöd anstellen, denn ich war damals auch nicht schlauer. Meine Dissertation war fertig, ich platzte fast vor Stolz auf meinen Doktortitel, und durch die Vermittlung eines mir wohlgesinnten Professors hatte ich ein Vorstellungsgespräch bei einer Personalberatung, die bei einem Medienkonzern eine Stelle zu besetzen hatte. Im Vorgespräch hatte ich die Frage, ob ich denn als Geisteswissenschaftlerin auch Interesse an Wirtschaftsfragen hätte, fröhlich und unbedarft bejaht. Das Bewerbungsgespräch war in Köln in einem riesigen Büro mit Blick auf den Dom. Es lief gut. Ich sah mich schon in der Führungsetage. Da fragte mich der Personalberater, was denn mein Vater beruflich mache. Nebenbemerkung: Meine berufstätige Mutter interessierte damals gar nicht. Heute weiß ich, dass beruflich erfolgreiche Mütter das wichtigste Vorbild für Mädchen sind und meist auch beruflich erfolgreiche Töchter haben. Zurück zu meinem Vater. Der hatte wie so viele Solinger eine kleine Firma, die Stahlwaren herstellte. Und dann kam die Frage, die mich kalt erwischte: Wie hoch ist denn der Jahresumsatz? Keine Ahnung. Ich hätte auch nichts erfinden können, denn ich hatte absolut keinen Schimmer. Soviel zum Thema Interesse an Wirtschaftsfragen. Mir war in dem Moment klar, dass ich diese Stelle nicht bekommen würde. Ade, du schöne Führungsetage.

Was ich daraus gelernt habe? Niemals etwas behaupten, was nicht stimmt. Und vor der Bewerbungsphase geistig mal die Uni verlassen. Das ist schwer, denn im Studium entwickelt man einen ausgeprägten Tunnelblick, der alles Uni-interne sehr wichtig erscheinen lässt und alles andere unwichtig. Im richtigen Leben ist das genau umgekehrt. Eine gute Note zählt im Zweifel weniger als ein Praktikum, eine Joberfahrung, ein Arbeitgeberzeugnis, eben eine Erfahrung in der Arbeitswelt.

Was ich noch gelernt habe? Diese Stelle hätte gar nicht zu mir gepasst. Ich war nur geschmeichelt, empfohlen zu werden. Ja, und noch etwas: Ich war nie wieder zu einem Bewerbungsgespräch in Köln.

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