Professorin Katajun Amirpur “Unsere Universität ist sehr weiß“

Interview · Als erste Universität in Deutschland hat die Uni Köln eine Beauftragte für Rassismuskritik ernannt. Professorin Katajun Amirpur spricht im Interview über ihre neue Funktion, über den Abbau rassistischer Strukturen sowie die rassismuskritische Auseinandersetzung in Lehre und Studium, Forschung und Verwaltung.

 Prof. Dr. Katajun Amirpur (Islamwissenschaftlerin) in der ARD-Talkshow ANNE WILL am 12.05.2019 in Berlin Thema der Sendung: Iran stellt Ultimatum - wie gefaehrlich ist der Atom-Streit fuer Europa?

Prof. Dr. Katajun Amirpur (Islamwissenschaftlerin) in der ARD-Talkshow ANNE WILL am 12.05.2019 in Berlin Thema der Sendung: Iran stellt Ultimatum - wie gefaehrlich ist der Atom-Streit fuer Europa?

Foto: picture alliance / Eventpress/Eventpress Stauffenberg

Frau Amirpur, wie kam es, dass die Universität Köln die Stelle einer Beauftragten für Rassismuskritik geschaffen hat?

Amirpur Dass Köln als erste Universität Deutschlands diese Beauftragtenfunktion für Rassismuskritik einrichtet, heißt nicht, dass wir an der Universität zu Köln mehr Rassismus haben als anderswo, sondern dass wir das Problem aktiv angehen. Der Prorektor für Akademische Karriere und Chancengerechtigkeit kam mit der Frage auf mich zu, ob ich Interesse an dieser Position habe. Meine erste Reaktion war: Nein!

Warum das?

Amirpur Ehrlich gesagt fand ich mich zu weiß. Ich persönlich habe keine so starken eigenen Rassismuserfahrungen gemacht – was eben daran liegt, dass ich so weiß bin. Ich dachte zunächst, in dieser Position sollte jemand sein, der Ausgrenzungserfahrungen stärker repräsentieren kann als ich. Denn es geht ja auch um Sichtbarmachung. Und: Ich bin keine Rassismus-Forscherin. Mit Rassismus habe ich mich nur im Rahmen des anti-muslimischen Rassismus als Professorin für Islamwissenschaft beschäftigt.

Wie ging es weiter?

Amirpur Ich habe geschaut, wer denn außer mir – ich war außerdem noch Gleichstellungsbeauftragte – diese Position übernehmen könnte. Und dabei stellte ich fest, dass die ganze Uni doch sehr weiß ist. Wir haben ein ganz klares strukturelles Problem an dieser Stelle – und ich nehme an, dass das anderen Hochschulen genau so geht: Schwarze Angestellte an der Uni findet man – so hat es die Rassismusforscherin Maisha Auma einmal formuliert – vor allem als Reinigungspersonal. Unter den Studierenden ist das anders, aber der Weg an die akademische Spitze ist offenbar für Menschen mit Migrationshintergrund, für Menschen, der Hautfarbe nicht weiß ist, versperrt. Da fragt man sich natürlich, warum das so ist. Warum spiegelt es sich in der Professorenschaft nicht wieder, dass wir in der Studierendenschaft immerhin 32 Prozent Studierende mit Migrationshintergrund haben? Und als ich mich näher mit diesem Thema beschäftigte war mein Interesse als Beauftragte für Rassismuskritik nachhaltig geweckt.

Wie definieren Sie Rassismus?

Amirpur Eine wichtige Erkenntnis ist sicher: Man braucht keine Rassen für Rassismus. Das ist mir bereits in meiner Zeit als Professorin in Hamburg klar geworden, wo mein Thema Islam in Deutschland war. Muslime werden meist zu einer Gruppe zusammengefasst, und sie werden „rassifiziert“, um einen Begriff zu benutzen, den Mark Terkessidis erfunden hat. Dabei hat eben beispielsweise ein iranischer Muslim sehr wenig mit einem tunesischen Muslim gemein. Diesen Gruppen werden aber bestimmte Merkmale zugeschrieben – meist natürlich negativ – und darüber werden sie dann abgewertet. Diese Form von Rassismus finden man überall, wenn man genauer hinschaut. Natürlich auch an der Uni. Es gilt zu sensibilisieren und aufzuklären. Denn oft reagieren Menschen, die sich rassistisch geäußert haben mit dem Satz „Das habe ich doch so gar nicht gemeint“, oder Akademikerinnen und Akademiker denken „So etwas passiert mir doch nicht“. Aber es passiert eben doch, und darüber müssen wir uns klarer werden.

Was soll die Stelle der Beauftragten für Rassismuskritik bewirken?

Amirpur Zunächst einmal ist es eine Schanierstelle für alles, was schon an der Uni Köln an verschiedenen Punkten läuft: So etwa das Autonome BIPoC (Black Indigenous People of Colour)-Referat, ein Zusammenschluss von BIPoC Studierenden der Universität zu Köln. Ziel des Referates ist es, sich für marginalisierte und rassifizierte Gruppen an der Universität einzusetzen. Dann haben wir das „Forum Decolonizing Academia“, das im Wintersemester eine tolle Vorlesungsreihe veranstaltet, indem es um das schwierige Erbe unserer Fächer geht, also konkret: Wie kolonial waren wir hier an der Uni Köln? Gleichzeitig hat die Einrichtung dieser Position hier in Köln durchaus zu Reaktionen an anderen Hochschulen geführt, die Kontakt zu mir aufgenommen haben. Das heißt, eine Aufgabe wird auch die Vernetzung zum Thema Rassismus in der Hochschulwelt sein. Hinzu kommt: Wir haben hier in Deutschland wenig Forschung zu rassismuskritischer Lehre, da sind die USA und Großbritannien deutlich weiter. Ich werde mir dort also auch Anregungen zum Thema holen. Dass es an der Uni Köln aber durchaus schon ein Bewusstsein für Rassismuskritik gibt, zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass die Vertrauensdozentinnen – und dozenten der Universität ein Papier zur Ächtung des „N-Wortes“ erarbeitet haben. Solche Initiativen gibt es längst nicht an jeder Universität in Deutschland.

Welche Anlaufstellen bietet die Uni Köln für Menschen, die Rassismus-Erfahrungen gemacht haben?

Amirpur Es gibt einerseits die Rassismuskritische Beratung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieses Angebot richtet sich sowohl an Frauen und Männer, die an der Universität zu Köln rassistische Diskriminierung erfahren, als auch an alle Beschäftigten, Fakultäten oder Institutionen der Universität, die sich kritisch mit Rassismus in Lehre, Forschung und Seminarräumen auseinandersetzen möchten. Damit ist Rahab Njeri betraut. Auch Studierende, die an der Universität zu Köln rassistische Diskriminierung erfahren, haben die Möglichkeit, eine rassismuskritische

Beratung in Anspruch zu nehmen. Das Angebot wird von der Therapeutin Jessie Mmarie geleitet. Sie bietet als externe Beraterin Unterstützung, Vermittlung und Beratung für Studierende an, die konkrete rassistische Vorfälle melden oder über Belastungen aufgrund von rassistischer Diskriminierung sprechen möchten. Das Angebot gibt es seit 2019 und es wird gut angenommen.

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