Hochschullehre „Wir sind eine Präsenzuniversität“
Düsseldorf · Düsseldorfs Rektorin Anja Steinbeck will im kommenden Semester wieder die Lehre vor Ort ermöglichen. Die Forderungen ihrer Kollegen in einem offenen Brief sieht sie vor allem wegen des Tonfalls darin kritisch.
Der Campus liegt still. Mit Corona wurde der Betrieb an den Universitäten eingestellt, die Lehre zog aus den Hörsälen um in die Studentenzimmer. Mit den Lockerungen der Corona-Schutzverordnung kehren allmählich Angestellte und auch Studierende auf den Campus zurück. Mit Einschränkungen wurde die Arbeit vor Ort wieder aufgenommen. Prüfungen wurden nachgeholt, die Bibliothek wieder geöffnet und Lernplätze freigegeben. Doch wie sieht es mit der Lehre aus? Das Thema, das in Schulen aktuell heiß diskutiert wird, trifft natürlich ebenso die Studierenden. Es geht um die Frage, wie das Wintersemester aussehen kann. In einem offenen Brief forderten Dozierende kürzlich eine „vorsichtige, schrittweise und selbstverantwortliche Rückkehr zu Präsenzformaten“. Der Brief hat mittlerweile über 5000 Unterstützer. Sie sprechen sich für die Präsenzlehre aus und beschreiben die Universität als Ort der Begegnung und des Austausches. Diese Gemeinschaft könne nicht in virtuellen Formaten nachgestellt werden.
Anja Steinbeck, die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), sieht das Schreiben ihrer Kollegen kritisch. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt sie: „Der Inhalt ist richtig, der Duktus aber nicht so schön gewählt.“ Das Ziel, die Rückkehr zur Präsenzlehre, sei wichtig und entspreche dem Kurs, den die HHU anstrebe. Erste Schritte seien bereits getan. Allerdings zweifelt Steinbeck an der Wortwahl und dem Anlass des offenen Briefes, den auch zehn Dozierende der HHU unterzeichnet haben. „Ich finde eine ‚Forderung’ nicht angemessen“, sagt Steinbeck.
In dem Brief wird auf die Gefahr hingewiesen, dass die Präsenzlehre in der aktuellen Situation an Wertschätzung und Unterstützung durch die Hochschulleitung, die Bildungsministerien und die Politik verlieren könnte. Dafür sieht die HHU-Rektorin keinen Anhaltspunkt – zumindest nicht an ihrer Universität. „Die HHU ist eine Präsenzuniversität und wird dies auch bleiben.“
Und wie das in Zeiten von Corona umgesetzt werden kann, erarbeitet die Hochschulleitung derzeit. Herangezogen werden dafür etwa Erkenntnisse aus dem digitalen Sommersemester. Dieses habe „unglaublich gut funktioniert“, sagt Steinbeck. Alle Pflichtvorlesungen hätten digital stattfinden können. Auch die im März ausgefallenen Prüfungen wurden im Mai nachgeholt. „Aber die Laborpraktika haben gelitten“, so die Rektorin. Diese finden seit Anfang Juni wieder statt.
Laborpraktika und deren Äquivalent in den Geisteswissenschaften, also Seminare und Übungen, sollen im Wintersemester wieder geregelter stattfinden können. Ein Chemiker müsse mit den Chemikalien arbeiten und ein Literaturwissenschaftler mit seinesgleichen vis-à-vis einen Text diskutieren können, sagt Steinbeck. Insgesamt wolle sie im kommenden Wintersemester „so viel Präsenzlehre wie möglich anbieten“. Das Online-Angebot fällt aber nicht weg. Vielmehr werde die Hochschulleitung „das Beste aus beiden Welten“ verbinden. In einem rollierenden System hätten die Studierenden dann Online- und Präsenz-Tage. Die Erstsemester haben zudem Priorität, ihnen sind die großen Hörsäle vorbehalten.
Die Rektorin betont, dass weitere Vorkerhungen getroffen werden aber der Verlauf der Pandemie ein entscheidender Faktor bleibt. Die Planung sei „ein Zeichen, dass wir es ernst nehmen“, so Steinbeck. Sie und ihre Kollegen seien das den Studierenden schuldig und wollten zumindest Perspektiven bieten.