Leben in der Gastfamilie Deutschland hautnah erleben

Ein besonderes Austausch-Projekt ermöglicht es Studierenden aus dem Ausland, für zwei Wochen in einer deutschen Gastfamilie zu leben. Das bedeutet interkulturelle Bereicherung für beide Seiten. Ein Erfahrungsbericht.

 Ulrike Römmer (r.) und ihre Familie haben Lima Safi und ihren Sohn Ali für 14 Tage bei sich in Düsseldorf aufgenommen.

Ulrike Römmer (r.) und ihre Familie haben Lima Safi und ihren Sohn Ali für 14 Tage bei sich in Düsseldorf aufgenommen.

Foto: privat

Wie sieht es bei einer Familie in Deutschland zu Hause aus? Wie ist der Tagesablauf? Wie und vor allem was wird gegessen? Wie lebt die Familie zusammen, wer hat welche Aufgaben? Das sind Fragen, die sich viele internationale Studierende in Deutschland stellen, die sich aber im Wohnheim oder in der WG schlecht beantworten lassen. Auch Lima Safi wollte die deutsche Kultur gerne hautnah erleben: Sie studiert Soziale Arbeit in Hamburg und stammt aus Afghanistan. „Ich bin sehr neugierig und lerne immer gerne dazu. Und wo kann man am besten etwas über die Kultur eines Landes erfahren als in einer Familie?“ Über die Uni las Lima Safi von der Austauschorganisation „Experiment“ aus Bonn. Die bietet genau das an: Zweiwöchige Aufenthalte für internationale Studierende in einer deutschen Familie.

Aus Hamburg ging es für Lima und ihren Sohn Ali nach Düsseldorf zu Familie Römmer. „Es war wirklich die beste Entscheidung, hierher zu kommen. Die familiäre Atmosphäre hat mir sehr gefehlt – und natürlich ist der Alltag der Familie schon sehr unterschiedlich zu meiner eigenen Kultur. Und ich habe viel gelernt“, sagt Lima Safi. Mit Gastmutter Ulrike Römmer tauscht sie sich über gesunde Ernährung ebenso aus wie über Kindererziehung. „Mein Sohn durfte hier den Rasenmähen – offenbar auch eine typisch deutsche Beschäftigung“, schmunzelt Lima.

Auch wenn sie schon einige Jahre in Deutschland lebt, war vieles im Alltag von Familie Römmer neu für Lima. „Ich kannte vieles nicht, weil ich eben den hiesigen Familienalltag noch nie erlebt habe. Wir haben zum Beispiel auch darüber gesprochen, wie das Arbeitsleben in Deutschland aussieht. Und wie es dann ja auch auf mich zukommt, nach dem Studium.“

Ulrike Römmer und ihre Familie haben schon eine Menge Erfahrung mit Gaststudierenden und Gastschülern. „Wir sind seit 16 Jahren dabei und Lima ist unsere fünfte Gaststudentin. Wir hatten schon Gäste unter anderem aus China, Japan oder Indien.“ Die Familie hole sich mit den internationalen Studierenden „die Welt ins Haus“. „Wir reisen gerne, auch sehr weit, sind echte Weltenbummler“, sagt Ulrike Römmer. „Und es ist höchst spannend, andere Kulturen kennenzulernen. Was alle Studierenden hier bei uns machen, ist kochen. Das liebe ich ganz besonders.“ Lima zum Beispiel kochte ein typische leichte, warme Mahlzeit aus ihrer afghanischen Heimat, mit Reis, einer spezielles Soße und Auberginen.

Familie Römmer empfindet jede und jeden ihrer Gaststudierenden als Bereicherung. „Natürlich machen wir auch immer ein kleines Programm rund um Düsseldorf und Köln – aber in erster Linie soll ja der Aufenthalt das typische Familienleben mit den normalen Tagesabläufen zeigen“, sagt Ulrike Römmer. Beide Seiten lernen voneinander, 14 Tage lang. „Dieser Zeitraum ist für alle ideal“, findet die Gastmutter. „Als Gastfamilie gehe ich kein Risiko ein, selbst wenn die Chemie einmal nicht hundertprozentig stimmt. Und es ist wirklich so, dass die Studierenden Lust haben auf die Erfahrung, sie haben sich ja freiwillig dafür entschieden.“

Die internationalen Studierenden sind in der Regel zwischen 18 und 30 Jahre alt und kommen aus verschiedenen Ländern außerhalb Europas. Sie sind an einer deutschen Hochschule als Austauschstudierende oder Vollzeitstudierende eingeschrieben.

Studierende, die Lust auf diese interkulturelle Erfahrung haben, bei der sie natürlich auch ihre Sprachkenntnisse verbessern sowie im besten Falle neue Freundschaften knüpfen, können sich bei Experiment online bewerben. Es wird dann eine passende Gastfamilie in ganz Deutschland gesucht – räumlich müssen die Studierenden also flexibel sein. Die Familienaufenthalte finden meistens in den Semesterferien statt. Die Zusammensetzung der Gastfamilie kann sehr unterschiedlich sein: Es kann sich um ein jüngeres oder älteres Paar mit oder ohne Kindern handeln, um alleinerziehende Mütter, Väter oder Einzelpersonen. Mitbringen müssen die Studierenden laut der Austauschorganisation „Expertiment“ Offenheit und Interesse. Genauso gilt dies umgekehrt für die Gastfamilie, die eine neue Kultur in den eigenen vier Wänden erleben kann.

Ulrike Römmer betreut für „Experiment“ auch andere Gastfamilien. „Das ist ganz wichtig: Weder die Familien noch die Studierenden sind auf sich allein gestellt. Jedes Pärchen bekommt einen Betreuer an die Seite gestellt, der den Aufenthalt moderiert.“ Zudem ist es für die Gastfamilien möglich, aus verschiedenen Bewerbern eine Studentin oder einen Studenten auszuwählen. „Für uns war es diesmal zum Beispiel etwas sehr Besonderes, dass Lima ihren Sohn dabei hatte“, sagt Ulrike Römmer. „Wir hatten die räumlichen Kapazitäten, ihn mit aufzunehmen, und Lima so überhaupt den Aufenthalt in einer Gastfamilie zu ermöglichen.“ Und neben Rasenmähen hat Ali auch gelernt, wie man einen typisch deutschen Frühstückstisch deckt.

Der Gastfamilienaufenthalt wird vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts gefördert. Daher betragen die Kosten für die teilnehmenden Studierenden nur 40 Euro. In diesem Betrag sind Dokumente zur Vorbereitung des Aufenthalts, die Vermittlung einer passenden Gastfamilie, die An- und Abreise zur Gastfamilie sowie der zweiwöchige Gastfamilienaufenthalt inklusive. Nur persönliche Ausgaben während des Gastfamilienaufenthalts müssen selbst übernommen werden.

Das Ziel des gemeinnützigen Vereins „Experiment“ ist seit knapp 90 Jahren der Austausch zwischen Menschen aller Kulturen, Religionen und Altersgruppen. Der Aufenthalt von internationalen Studierenden in deutschen Gastfamilien ist nur ein Bestandteil des Programms. Jährlich reisen über 2000 Schülerinnen und Schüler sowie Studierende mit Experiment ins Ausland und nach Deutschland. Kooperationspartner sind unter anderem das Auswärtige Amt, die Botschaft der USA, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Deutsche Bundestag, das Goethe-Institut und die Stiftung Mercator.

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