"Herzlichen Glückwunsch, NRW"

65 Jahre ist es her, als die Britische Militärregierung kühn die "Operation marriage" verkündete und die Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger perplex aus dem Radio erfuhren, dass sie fortan in der Landeshauptstadt des neuen Landes "Nordrhein-Westfalen" leben sollten. Per Dekret hatten die Briten eine bunte Truppe von Rheinländern, Niederrheinern, Münsterländern, Ostwestfalen, Lippern, Ruhrgebietlern, Sauerländern, Eiflern und Siegerländern mit ihren unterschiedlichen Temperaments- und Gemütsverfassungen zusammengewürfelt. Unmittelbar nach dem Krieg war es ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Schon damals galt: Eine Liebesheirat sieht anders aus.

Auch für Düsseldorf folgte eine Zeit des zähen Eingewöhnens in die Rolle der Landeshauptstadt. Oberbürgermeister Karl Arnold gab zwar schon in der Ratssitzung am 5. August 1946 die "Berufung Düsseldorfs zur Hauptstadt bekannt", aber dann ging es in den offiziellen Dokumenten zwischen den Etikettierungen "Landeshauptstadt" und "Stadt Düsseldorf" hin und her. Erst sieben Jahre nach der Gründung des Landes nahm die Kommunalaufsicht die Entscheidung Düsseldorfs, sich in aller Form Landeshauptstadt zu nennen, hin - "stillschweigend". Auch das sagt einiges.

Regierungssitz mit Charme

Ohne Gründungsromantik und ohne Allüren aus einer großen Vergangenheit stand Düsseldorf für die junge Bundesrepublik, für den Aufstiegswillen und Wiederaufbau. Es lebten die Nachkriegstugenden. Manchmal belächelt, immer präsent, machte Düsseldorf in relativ kurzer Zeit wahr, was per Dekret auferlegt wurde. Dabei trug die Stadt nicht von Anfang an die Züge einer Erfolgsgeschichte, sondern wuchs mit Bedacht an der gestellten Aufgabe.

Düsseldorf ist heute ein Regierungssitz mit Charme, savoir-vivre, einer breiten Kunst- und Kulturszene und einer Wirtschaftsstärke, um die uns einige Länder beneiden. Bisweilen schrill und dennoch bodenständig lebt Düsseldorf als selbstbewusste Landeshauptstadt mitten in Nordrhein-Westfalen, in einem Land, dessen Gesicht sich in den letzten 65 Jahren stark verändert hat.

Was früher rußig war, trägt heute Kittel. Prägte der Wirtschaftsmotor Ruhrgebiet das Bild der Region, ist es heute der rasante Wandel hin zu einer innovativen, technologisierten Dienstleistungsindustrie. Patente und Erfindungen "made in NRW" genießen Weltruf. Auch wenn manche regionalen Rivalitäten folkloristisch unser Leben bereichern, sind die vielen unterschiedlichen Charaktere der Bewohner Nordrhein-Westfalens sich doch einig, gemeinsam stolz auf unser Land zu sein.

Selbstverständlich profitiert Düsseldorf von seiner Position als Landeshauptstadt. Nicht nur, weil das Land NRW der größte Arbeitgeber in der Stadt ist, unsere Kulturszene und manch ein Infrastrukturprojekt unterstützt, sondern weil damit auch die Anziehungskraft auf die Menschen aus dem ganzen Bundesland groß ist. Ob zum Studieren an der Heinrich-Heine-Universität oder der renommierten Kunstakademie, ob zum Arbeiten in einem Ministerium oder einem der ansässigen Konzerne: Düsseldorfer leben und arbeiten hier ganz selbstverständlich gemeinsam mit Münsterländern, Ruhrgebietlern, Sieger- und Sauerländern. Allen Klischees und Vorurteilen zum Trotz.

Umgekehrt profitiert auch das Land von der leistungsstarken Landeshauptstadt, die sich ihre Spielräume erarbeitet hat, in die Zukunft zu investieren. International Aufsehen erregende Projekte wie der Kö-Bogen oder die Neugestaltung des Medienhafens schmücken Stadt und Land gleichermaßen. Die große japanische und die wachsende chinesische Gemeinde in Düsseldorf prägen auch die internationalen Beziehungen des Landes mit dem Fernen Osten.

Eine der größten Herausforderungen, die die Landesregierung –jenseits des Politischen – in den nächsten Jahren schultern muss, ist die räumliche Konzentration von Regierungsgebäuden. Darin liegt auch für die Landeshauptstadt eine Chance, ein Regierungsviertel planerisch und städtebaulich mit zu gestalten. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen und bei der wir dem Land unsere Unterstützung zusagen.

65 Jahre einer im wahrsten Sinne bewegten Geschichte des Landes. Wäre dies kein Anlass, dieser Geschichte einen würdigen Raum in der Landeshauptstadt zu geben? Ein Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalens, so wie der Landtagspräsident es neulich vorgeschlagen hat. Als eine gemeinsame Anstrengung. Damit könnten sich das Land und die Landeshauptstadt gegenseitig ein Geburtstagsgeschenk für ein nächstes Jubiläum bereiten. Für heute aber gilt: Herzlichen Glückwunsch, Nordrhein-Westfalen!

(RP)
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