Hückeswagen Pferdefleisch - auch bei Jungen ein Renner

Hückeswagen · Die Verarbeitung von Pferdefleisch hat in der Klingenstadt eine lange Tradition. Die Produktpalette in den Solinger Pferdemetzgereien reicht dabei vom Steak bis zur Currywurst.

Der Mitarbeiter im Paketdienst kommt in Arbeitsmontur herein und freut sich sichtlich auf sein zweites Frühstück. "Ein Pferdewürstchen und ein Leberkäsbrötchen", gibt der junge Mann in Auftrag. Bestellungen wie diese nehmen die Angestellten in der Metzgerei Heinzmann sehr oft entgegen. "Die Würstchen sind bei uns mit am profitabelsten", sagt Metzgermeister Rudolf Heinzmann (65), der den traditionsreichen Familienbetrieb seit 1972 leitet.

Über Generationen hinweg hat sich sein Geschäft auf Pferdefleisch spezialisiert. "85 Prozent unseres Angebotes stammen vom Pferd", berichtet Heinzmann, der die Vielfalt der Pferdeprodukte in der Metzgerei im Laufe der Jahre erheblich erhöht hat: Insgesamt 30 verschiedene Leckereien bietet er an. Dazu gehören neben dem klassischen Sauerbraten auch Steaks, Frikadellen, Salami, Currywurst und ein Hamburger. Und das alles erfreut sich nicht nur bei alteingesessenen Solingern großer Beliebtheit. "Wir haben auch sehr viele junge Kunden", betont Heinzmann.

Das größere Bewusstsein vieler Konsumenten im Umgang mit Fleischprodukten angesichts diverser appetithemmender Medienberichte über die Folgen der Massentierhaltung spielt den traditionellen Pferdemetzgereien durchaus in die Karten. "Denn die Tiere werden nicht zum Verzehr gezüchtet", erklärt Heinzmann. Seit über 40 Jahren bezieht er sein Fleisch von einem befreundeten Bauern aus der Umgebung von Wiesbaden. Dort ernähren sich die Rösser nur von Heu, Stroh und Gras. Nur alte oder verletzte Pferde kommen zur Schlachtbank. Für den Umgang mit ihrem Fleisch gibt es strenge Regeln: Veterinäre untersuchen die Tiere, die allesamt Pässe erhalten, vor und nach der Schlachtung. Werden dabei Medikamente nachgewiesen, muss das Fleisch aussortiert werden.

Die Geschichte der Pferdeverarbeitung im Bergischen Land reicht über Jahrhunderte zurück. "Unter der Besatzung Napoleons hat man dafür den Grundstein gelegt", erklärt Rudolf Heinzmann. Viele Menschen konnten sich das teure Rindfleisch nicht leisten und griffen so zum Pferd. Doch während von einer Vielzahl an Pferdemetzgereien im rheinischen Großraum Köln/Düsseldorf praktisch keine mehr übrig geblieben ist, blüht das Geschäft im Bergischen.

Auch in der Metzgerei Krebs/Funccius. "Wir haben sehr viele Stammkunden, die uns weiterempfehlen", sagt Metzgermeister Tim Funccius (25), der die fünfte Generation im 1900 gegründeten Betrieb repräsentiert. Mit dem Skandal um falsch deklariertes Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne seien die Solinger gelassen umgegangen, betont Funccius. "Bei uns kaufen sich die Kunden das Pferdehack, um sich ihre eigene Lasagne damit zu machen." Der Familienbetrieb mit seinen Filialen in Ohligs und der Innenstadt bezieht sein Fleisch von zwei Bauernhöfen in der Nähe von Gießen und Unna. "Das hat sich über viele Jahre hinweg eingebürgert", sagt Funccius. "Und die Kunden schätzen das, weil es Biofleisch ist." Wie die Metzgerei Heinzmann bietet auch Funccius fertige Gerichte an.

Während Pferdefleisch, dessen Verzehr im Mittelalter verboten war, in anderen deutschen Regionen als Nahrungsmittel eher wenig vertreten ist, erfreut es sich innerhalb Europas besonders in Frankreich und den südlichen Regionen Italiens großer Beliebtheit.

Kunden, die sich ihren Braten oder Gulasch zuhause zubereiten wollen, geben die Metzgermeister Funccius und Heinzmann unabhängig voneinander einen entscheidenden Tipp: Zwiebeln gehören beim Schmoren von Pferdefleisch dazu - und zwar im Verhältnis 1:1. Ansonsten sind der Phantasie beim Würzen und Verfeinern des Fleisches kaum Grenzen gesetzt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort