Wir sind Heimat in Grefrath Einkaufen wie anno dazumal

Gemeinde Grefrath · Der Tante-Emma-Laden im Freilichtmuseum bietet nicht nur historische Atmosphäre, Bonbons aus bauchigen Gläsern, Produkte der Region und Kuchen. Monika und Dieter Schommer können zu jedem der Gerätschaften etwas erzählen.

 Wie in einer anderen Zeit: Monika und Dieter Schommer vor ihrem Tante-Emma-Laden auf dem Gelände des Freilichtmuseums Dorenburg.

Wie in einer anderen Zeit: Monika und Dieter Schommer vor ihrem Tante-Emma-Laden auf dem Gelände des Freilichtmuseums Dorenburg.

Foto: wolfgang kaiser

Wenn Dieter Schommer zu dem alten Tornister aus Holz greift, der auf der Fensterbank des Tante-Emma-Ladens im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath steht, zwinkert er verschmitzt. "1778 wurde die Schulpflicht eingeführt. Einen Tornister aus Leder hatte niemand. Sie wurden aus Holz gemacht. Das hatte zudem noch einen Vorteil", beginnt er zu berichten. Den Vorteil kann der Grefrather direkt demonstrieren, indem er zu einem Stück Kreide greift. Die dunklen Holzwände dienten nämlich direkt als Tafel. Schiefertafeln und Bleistifte gab es damals noch nicht, wohl aber Kreide und mit der wurden die Tornisterwände beschrieben. "Und wer gut in der Schule war, der hatte was auf dem Kasten, weil ja dort etwas stand", erklärt der Betreiber des Tante-Emma-Ladens den bekannten Spruch.

Der Kasten im Tante-Emma-Laden hat eine ganz besondere Bedeutung. Er gehörte einst dem Urgroßvater Schommers, der damit Anfang des 19. Jahrhunderts seinem Beruf als Barbier und Quacksalber nachging. "In dem Kasten transportierte er seine Haarschneideutensilien", verrät Schommer. Bei Monika Schommer brummt es indes. Sie hat zu einem Sahnedreher gegriffen, mit dem einst die Sahne per Hand geschlagen wurde. Das zu hörende Geräusch entstammt der Kurbel, an der sie dreht, um über die Zahnräder die Mixerbeinchen in Bewegung zu setzen. "Damit hat meine Oma auch noch Sahne geschlagen", erinnert sich eine Besucherin. Was der Gast aber nicht kennt, ist die merkwürdige Gerätschaft, die Monika Schommer aus dem historischen Holzschrank hinter der Theke nimmt. "Das ist eine Eierwaage. Mit ihr wurden Eier klassifiziert", erklärt sie und demonstriert dies direkt mit einem Ei, die es im Tante-Emma-Laden zu kaufen gibt. Erstaunen ruft auch der weiße Schrank mit dem Hahn im unteren Bereich hervor. Es handelt sich um einen alten Eisschrank. "Früher fuhr der Eishändler die Gaststätten und Bäckereien ab und verkaufte Stangeneis, das in dieses separate Fach kam. Es kühlte den Schrank und wenn es geschmolzen war, ließ man das Wasser durch den Hahn ab", informiert Monika Schommer.

 Das Innere des Ladens ist Nostalgie pur.

Das Innere des Ladens ist Nostalgie pur.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Im Tante-Emma-Laden können die Besucher auf Entdeckungsreise gehen. Der gesamte Raum ist eine einzige große Fundgrube historischer Gegenstände und dazu gibt es unzählige Geschichten. Das Ehepaar Schommer verkauft im historischen Geschäft nämlich nicht nur Süßes aus Bonbongläsern, selbstgestrickte Socken, Kaffee, hausgebackenen Kuchen und Produkte der Region wie Honig, Rübenkraut und eingekochte Wurst im Glas. Die beiden können zu jedem Gegenstand in ihrem Lädchen etwas erzählen. Die Geschichte von dem uralten Maggi-Karton berührt. Das Glas mit den bunten Tonmurmeln hingegen lädt zum Schmunzeln ein, wenn die Schommers von den im Regen verschwundenen Murmeln berichten.

Spannend wird es, wenn Monika Schommer den großen Glasschrank aufschließt und die "Krösskiste" herausholt. Die Lurchi-Bücher im Schrank lassen so manche Erinnerung bei den älteren Besuchern aufflackern. Bunte Kaugummikugeln für zehn Cent aus dem alten Automaten ziehen weckt ebenso Kindheitserinnerungen, wobei es einst zehn Pfennige waren, die in dem Schlitz verschwanden.

Wenn Dieter Schommer jemanden auffordert, doch mal das Bügeleisen anzuheben, ist Vorsicht geboten. Das alte Schneiderbügeleisen ist zwar schon eine elektrische Variante, aber bringt locker sieben Kilogramm auf die Waage. Das Grinsen kann sich wohl keiner vergreifen, wenn Monika Schommer die "Schnellpisserbuxen" präsentiert, wie sie die weißen Beinkleider mit der Spitzenummantelung liebevoll betitelt oder sie die "Hüft- und Korseletthalter" vorstellt. Was es mit dem "Schweinehund" auf sich hat, weiß Dieter Schommer, und dass Glaubersalz "wie Hulle stinkt", glaubt man Monika Schommer, wenn sie auf die braunen Glasflaschen deutet, die aus einer Berliner Drogerie stammen und Sachen wie Glaubersalz und Bimssteinpulver beinhalten. Das aufgeklebte Kreuz auf einer der Flaschen bedeutet allerdings kein Gift. "Da ist Weihwasser drin", verrät Monika Schommer. Eins sollte der Besucher im Tante- Emma-Laden mitbringen und das ist Zeit. Denn zu entdecken gibt es wirklich jede Menge. Und wer später mit einem weißen dreieckigen Papiertütchen voller Bonbons und Lakritze weiter über das Museumsgelände bummelt, der hat aus dem Lädchen viel Wissenswertes und Kurioses mitgenommen.

(RP)
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