Krefeld Ein Seidenbaron besucht den Chempark
Krefeld · Der Fortschritt der Technik dürfte Cornelius de Greiff regelrecht erschlagen haben; er hatte sein Leben lang mechanische Webstühle vor Augen. Was die Krefelder Seidenbarone so reich machte, war das Verlagswesen.
Cornelius de Greiff war mehr Händler als Techniker; der sagenhafte Aufstieg der Krefelder Seidenbarone hat mit der Art der Produktion zutun: dem Verlagswesen. Die Krefelder Weber waren selbstständige Handwerker (auch wenn sie faktisch Lohnarbeiter waren), die im Auftrag der Seidenbarone produzierten. Diese Organisation war so kostengünstig und flexibel, dass sie sich fast das ganze 19. Jahrhundert in Krefeld gehalten hat - trotz des Aufschwungs mechanischer, mit Dampfmaschinen betriebener Webstühle.
Cornelius de Greiff dürfte die technische Entwicklung seiner Zeit aufmerksam beobachtet haben; der rasante Aufstieg der chemischen Industrie zeichnete sich zu seinen Lebzeiten erst in Ansätzen ab. Der rasante Aufstieg der deutschen Chemie begann erst 14 Jahre nach de Greiffs Tod, als Edmund ter Meer 1877 am Uerdinger Rheinufer die "Teerfarbenfabrik Dr. E. ter Meer & Cie" gründete. Hier de Greiffs Eindrücke und Gedanken bei seinem Besuch im Chempark.
An die hochwohllöblichen Krefelder anno domini 2017!
Ihr Nachgeborenen redet zu viel vom Weben und zu wenig von all den anderen braven Mechanikern und sinnreichen Produzenten. In Krefeld gab es mannigfaltige Fabrikationen: Baumwollspinnerei, Eisenwaren, Zuckerraffinerien, Bier- und Branntweinproduktion Maschinenbauer und Malzkaffee-Macher! 1860 war Krefeld das große Industriezentrum und hatte mit 50.600 Bürgern mit mehr Einwohnern als Düsseldorf mit nur 41.300 Bürgern.
Wenn ich nun sehe, was heute an chemischer Industrie blüht und gedeiht und dass meine geliebte Weberei kaum noch eine Rolle spielt bei euch Nachgebornen, so muss man wohl sagen: Was geblieben ist und sich gewandelt hat, ist die Industrie, das Erfinden und Bauen, das geschickte maschinelle Machen und Tun! Ei was Donner, was die modernen Alchemisten da zusammenbrauen, ist aller Ehren wert; und in ihren Stoffküchen kochen und hecken sie immer etwas Neues aus!
Bei uns ging es nicht so rasch zu. Wohl hat der Engländer Edmund Cartwright (1743 - 1823) im Jahre 1785 den mechanischen Webstuhl erfunden. Da zudem der Schotte James Watt (1736 - 1819) eine Dampfmaschine ersann, die vortrefflich als Antriebskraft zu nutzen war, wurden Webstühle bald auch mit Dampfkraft betrieben. In Preußen ist die Zahl dieser Art Maschinen zwischen 1846 und 1861 von 4600 auf 15.300 gestiegen. Nicht so bei uns in Krefeld.
Hier waren die letzten Handweber alter Schule erst 1896 ganz verdrängt. Die neuen Maschinen waren bis dato nicht der Krefelder Ordnung der Produktion überlegen. Wir waren die Händler, wir kannten den Markt und das Begehr der Leute an Stoffen - und die Weber haben zu Hause fleißig gewebt. Freilich, irgendwann war das vorbei. Wie auch nicht! Zu lesen ist, dass ein 15-jähriger Bengel an zwei mechanischen Webmaschinen etwa das Dreieinhalbfache an Leistung gegenüber einem Handweber erbringen konnte. Tod und Hölle, dagegen konnten auch die fleißigsten und genügsamsten Weber nicht anweben. Was sich fürderhin trotz aller Maschinenweberei in Krefeld hielt, waren hochwertige Webmanufakturen für Plüsch und Samt wie die Paramentenweberei Hubert Gotzes an der Luisenstraße, welches Gebäude ihr vortrefflicherweise zum Museum um- und ausgebaut habt. Dort wurden - Dampfmaschine hin, 15-jährige Bengel her - von 1908 bis 1996 auf trefflichen hölzernen Jacquardwebstühlen von Hand Paramenten für Mutter Kirche gewebt. Es ging nicht um Masse und Geschwindigkeit, sondern um Qualität und Schönheit. So findet man Neues und das Geschäft, das einen nährt! Bedenkt dies, bleibt nicht stehen, bewahrt dass Gute, folgt dem Neuen, wo es besser ist!
Es grüßt euch, wackere Bürgerschar,
demütigst
euer
Cornelius de Greiff