Hendrik Wüst warnt vor einem Schlechtreden des Staates „Woher kommt der Vertrauensverlust?“
Düsseldorf · Die Bundesrepublik habe ihren Bürgern einst drei Versprechen gegeben - Sicherheit, Wohlstand, Aufstieg. Doch nun bekomme das Fundament Risse, sagt der Ministerpräsident vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung. Da müsse man gegenhalten.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sieht in dem Anschlag in Solingen sowie dem Wahlausgang in Sachsen und Thüringen mit dem Erfolg der rechtsextremen AfD eine doppelte Zäsur. „Immer weniger Menschen vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Woher kommt der Vertrauensverlust?“, fragte Wüst beim Besuch der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf.
Seine Antwort: Nach der Gründung der Bundesrepublik vor 75 Jahren habe der Staat den Bürgern drei Versprechen gegeben: das Sicherheitsversprechen - möglich gemacht durch die Westbindung der jungen Republik, Wohlstand für alle - möglich gemacht durch die soziale Marktwirtschaft, Aufstieg durch Bildung - möglich gemacht durch die Gründung vieler Universitäten. „Diese Fundamente haben Risse bekommen“, erklärte Wüst.
Die innere Sicherheit sei durch Anschläge wie in Solingen bedroht. „Auch sind wir weit davon entfernt, jedem Kind einen Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen.“ In vielen Familien werde kein Deutsch zuhause gesprochen, das mache es in Kita und Schule schwer. Man müsse gegensteuern.
NRW habe ein großes Sicherheitspaket auf den Weg gebracht und gebe dem Verfassungsschutz mehr Befugnisse etwa für die Kontrolle von Chats. Zudem werde das Land noch mehr Geld in die frühkindliche wie schulische Bildung stecken. Der Staat müsse Prioritäten setzen.
Zugleich warnte der Ministerpräsident davor, den Staat schlecht zu reden. „Populisten und Extremisten brauchen genau das - ein Bild vom scheiternden Staat, um ihr Süppchen zu kochen“, so Wüst. Bei aller berechtigten Kritik müsse man eine solche Ablehnung vermeiden.
Daraus leite sich auch der Auftrag an den Journalismus ab: Es sollte nicht um Klicks gehen, sondern um Einordnen und Verstehen, sagte Wüst. Die WPV, die am Mittwoch den 75. Geburtstag feierte, sei eine Plattform der Debatte und ein Wegbegleiter der sozialen Marktwirtschaft. „Wenn es sie nicht gebe, müsste man sie erfinden“, so Wüst.
Gegründet wurde die WPV im März 1949 in Essen-Kettwig, später siedelte sie nach Düsseldorf über. In den Räumen des Industrieclubs treffen Journalisten und Firmen-Sprecher seit Jahrzehnten namhafte Gäste aus Wirtschaft und Politik von Edzard Reuter (Daimler) bis Alfred Herrhausen (Deutsche Bank), von Heinz Nixdorf bis Carsten Spohr (Lufthansa). Zum Jubiläum diskutierten Ursula Gather, Chefin der Krupp-Stiftung, Eon-Chef Leonhard Birnbaum und Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft IG BCE.
Jürgen Großmann, Retter der Georgsmarienhütte, hatte in den 90er Jahren vor der WPV über die Krise mittelgroßer Stahlhersteller referiert. Manche Themen erledigten sich nie, stellte Ulf Meinke, WAZ-Journalist und Vorsitzender der WPV, fest. Thyssenkrupp-Chef Miguel López, der auch im Publikum saß, kann das nur bestätigen.