Gustav Sack – ein tragischer Autor

Im Heinrich-Heine-Institut ist jetzt eine Ausstellung über den expressionistischen Schriftsteller Gustav Sack zu sehen. Präsentiert wird die Lebens- und Werkgeschichte eines Autors, der Kriegsgegner war und 1916 im Schützengraben starb – kurz bevor er literarischen Ruhm erlangte.

Wohl kein anderes Wort ist für dieses Leben treffender als dieses: tragisch. Wie anders ist es zu nennen, wenn Gustav Sack in dem Moment als Schriftsteller geboren wird, als er an der Ostfront fällt. 1916 war das. Die Stätte seines gewaltsamen Todes: Finta de Mare, ein Dorf in Rumänien. Die Bleistiftzeichnung eines Kameraden markiert den Ort des Unglücks; zwei Straßen sind auf mittlerweile gelblichem Papier zu erkennen, eine Kirche samt Friedhof nebenan.

Strandgut eines Lebens

Auch dieses Stück Papier ist jetzt in der neuen und spannenden Schau des Heinrich-Heine-Instituts zu sehen, die sich dem aus Schermbeck stammenden expressionistischen Dichter Gustav Sack (1885–1916) widmet. Die unbeholfene Dorfzeichnung gehört dabei zu jener Hinterlassenschaft, die der Witwe Paula in einer mickrigen Pappschachtel zugeschickt wurde. Ein Siegelring fand sich noch darin, seine Pfeife, eine Brosche; alles Strandgut eines tragischen Lebens.

Denn mit der dürftigen Schachtel erreicht auch ein Brief des Fischer-Verlags die Familie Sack. Es ist die Zusage, den Roman "Der verbummelte Student" zu verlegen. Eine gute Entscheidung: In den ersten beiden Jahren wird das Buch 20 000 mal verkauft; euphorische Rezensionen begleiten das literarische Werk. Von all dem hat Gustav Sack nichts mehr erfahren dürfen.

Sack gehörte keineswegs zum Kreis der kriegsbegeisterten deutschen Intellektuellen. Von Anfang an hatte er das nationalistische Getöse kritisiert, war in die Schweiz gegangen, und hatte die Fahnenflucht zu seinem Lebensentwurf erklärt. Allein die Geldnot spülte ihn zurück ins Deutsche Kaiserreich und sogleich ins Heer. Sack war ein Kriegsgegner an der Front. In Briefen an seinen Schwiegervater beschrieb er den Anblick der Leichenfelder. Diese Post, in der er das Grauen in Worte fasste, wurde zu Vorarbeiten zu "Der Refraktär" – eine der ganz frühen deutschen Antikriegssatiren, im Ton vergleichbar mit Arbeiten von Karl Kraus. Es hat lange gedauert, bis dieses Stück zur Uraufführung gelangte. Das war in den 60er Jahren in Düsseldorf. Also gibt es auch einen losen Bezug zur Landeshauptstadt.

Natürlich bietet die Ausstellung viel Papier – zusammengetragen aus dem Nachlass zu Marbach von den beiden Kuratoren, von Walter Gödden und Steffen Stadthaus von der LWL-Literaturkommission für Westfalen. Aber all diese Briefe und Manuskriptblätter leben mit ihren Korrekturen, den Streichungen, den Verbesserungen, den Umstellungen. Hier hat einer mit Worten gerungen, und nebenbei seine Zeit vertrieben mit gekonnten Kritzeleien, sehr oft an den Blatträndern.

Ein Kriegsgegner im Schützengraben, ein Dichter, dessen Werk entdeckt wird, als er 31-jährig stirbt. Diesem Leben scheint kein Heil vergönnt gewesen zu sein. Gustav Sack ist stets ein Einzelgänger geblieben, der zwar losen Anschluss in seiner Schwabinger Zeit 1913 und 1914 zur Münchner Boheme finden konnte, der aber nie so richtig dazugehörte. Und so fehlten nach seiner Entdeckung und den ersten Erfolgen später auch jene Förderer, die das Werk im Bewusstsein der Leser wach hielten.

Gustav Sack wurde ein vergessener Autor und blieb für jene, die ihn dennoch entdeckten, ein Geheimtipp. Die gut inszenierte Schau im Heine-Institut wird – wenn es gut läuft – neue Leserkreise erschließen können. Und die könnten bald wieder das ganze Werk des Autors lesen. Im Herbst soll eine Gesamtausgabe im Bielefelder Aisthesis-Verlag erscheinen.

(RP)
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