Bad Berleburg Gericht erteilt Wisenten Waldverbot

Bad Berleburg · Ein Waldbauer setzte vor Gericht durch, dass die im Rothaargebirge ausgewilderten Großrinder sein Grundstück nicht betreten dürfen. Damit droht das Aus für das Artenschutzprojekt. Umweltminister Johannes Remmel will vermitteln.

Der Brief des Amtsgerichts Schmallenberg kam für die Mitglieder des Trägervereins "Wisent-Welt Wittgenstein" völlig überraschend. Den Inhalt hielten einige von ihnen anfangs für einen schlechten Scherz, doch das Verbot war ernst gemeint: Per einstweiliger Verfügung wird es den zwölf im Rothaargebirge freilebenden Wisenten untersagt, das Grundstück eines Waldbauern zu betreten, lautete der Inhalt des Schreibens vom vergangenen Freitag. Für die Einhaltung habe der Trägerverein zu sorgen. Bei Missachtung droht ein Ordnungsgeld bis zu 25 000 Euro oder eine Ordnungshaft. "Sollte es bei diesem Urteil bleiben, ist das Wisente-Projekt gestorben", erklärte der Sprecher des Artenschutzprojektes, Michael Emmerich, der bereits Widerspruch eingelegt hat. "Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um das zu verhindern."

Seit April vergangenen Jahres kommen jeden Monat Hunderte Touristen in die Wälder des Hochsauerlandkreises, nur um die europäische Büffelart in der Natur erleben zu können. Erst 2013 war es Tierschützern gelungen, im Rothaargebirge eine Herde der in Deutschland vor Jahrhunderten ausgerotteten Wisente wieder in freier Wildbahn anzusiedeln - mit Erfolg. Die großen Wildrinder sind schnell heimisch geworden.

Doch von Anfang an gab es auch Widerstand gegen die Auswilderung. Waldbauern klagten über Schälschäden an ihren Bäumen. Unabhängige und staatlich bestellte Gutachter, darauf legen die Landwirte besonders großen Wert, maßen ihnen bislang einen Sachschaden von 16 000 Euro zu.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) sagte unserer Zeitung, dass er die Sorgen der Waldbesitzer sehr ernst nehme. Allerdings sehe er die Gefahr, dass ein so einzigartiges und anspruchsvolles Artenschutzprojekt in langwierigen Rechtsstreitereien zerrieben werde. Deshalb müssten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen. "Wir werden uns noch in dieser Woche mit allen zusammensetzen, um darüber zu sprechen, wie mögliche Schäden reguliert werden können", erklärte Remmel. Die Wiederansiedlung des Wisents sei ein einzigartiges und neues Projekt, betonte der Umweltminister. "Von daher wollen wir es weiter begleiten und beobachten, wie sich der Wisent verhält. Letztendlich geht es doch auch darum, die Sprache der Natur neu zu erlernen."

Bernd Fuhrmann ist Bürgermeister von Bad Berleburg und gleichzeitig der erste Vorsitzende des Wisent-Trägervereins. Für ihn steht fest, dass es den Waldbauern um mehr geht als die Schäden an den Bäumen. "Einige wollen offensichtlich, dass das Artenschutzprojekt beendet wird." Fuhrmann ärgert sich besonders über die Art und Weise, wie ihm und seinen Mitstreitern die einstweilige Verfügung zugestellt wurde, nämlich durch einen Boten. Davor sei sie jedoch schon lokalen Zeitungen zugespielt worden. Für Fuhrmann ist das ein unseriöses Vorgehen, das zeige, welche Absichten die Waldbauern verfolgten. Die Einstellung des Projekts wäre jedoch fatal für die Region, meint der Bürgermeister. Die Tiere müssten wieder eingefangen werden. Zudem stünden Arbeitsplätze auf dem Spiel. "Wir beschäftigen rund 20 Mitarbeiter vom Wisente-Ranger bis zur wissenschaftlichen Angestellten", erklärte Fuhrmann. Von dem Imageschaden für die Region möchte er gar nicht erst sprechen. "Wir müssen das unter allen Umständen verhindern." Nur wie das gehen soll, das wissen sie im Trägerverein noch nicht. "Wir können den Tieren ja schließlich nicht verbieten, auf das Gelände des Bauern zu gehen", betont Sprecher Michael Emmerich. Eine Expertenrunde arbeitet nun an möglichen Lösungen für das Problem. So wird etwa über spezielle Schutzzäune und Lenkungsmöglichkeiten für die Tiere nachgedacht. "Aber ob man das dann noch als ungehindertes Leben in freier Wildbahn bezeichnen kann, ist eine andere Frage", sagte Emmerich.

(RP)
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