NRW Für 91.000 Schüler beginnt jetzt das Abitur

Düsseldorf · Am Dienstag steht für Zehntausende Schüler in NRW die erste Abitur-Klausur auf dem Plan. Wochenlang haben sie sich darauf vorbereitet - auf ganz unterschiedliche Weise. Der Ausnahmezustand des Doppeljahrgangs ist vorbei.

 Isabelle Brattinga aus Emmerich bereitet sich auf ihre Abiturklausuren vor.

Isabelle Brattinga aus Emmerich bereitet sich auf ihre Abiturklausuren vor.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Isabelle Brattinga hat einen Plan. Die 17-jährige aus Emmerich hat vor zwei Wochen alles durchorganisiert: Lernpensum, Lernzeiten, Lernstoff. Jeden Tag bearbeitet sie zwei Themen - morgens drei Stunden und mittags drei Stunden. Spätestens um 18 Uhr gönnt sie sich etwas, für das manche ihrer Schulkameraden kaum Zeit haben: Freizeit. "Ich habe mir genug Zeit für meine Freunde eingeräumt, damit ich während der Vorbereitungen auf die Abi-Prüfungen auch mal unter Menschen komme. Freie Tage habe ich mir auch eingebaut - ich denke, das ist gerechtfertigt", sagt die 17-Jährige.

Heute beginnen in NRW mit den Deutsch-Klausuren die schriftlichen Abiturprüfungen für rund 91.000 junge Leute - 65.000 an den Gymnasien, 14 000 an Gesamtschulen, 9000 an Beruflichen Gymnasien, der Rest an Waldorfschulen und Weiterbildungskollegs. Das ist etwa ein Drittel weniger als 2013, als der erste Jahrgang des achtjährigen (G 8) und der letzte des neunjährigen Gymnasiums (G 9) gemeinsam die Schulen verließen.

Viele der Prüflinge sind heute erst 17 Jahre jung. Dass das die Nervosität anheizt, glaubt Kristin Weikamp aus Straelen nicht. "Es kommt vielmehr darauf an, wie gut man sich in den vergangenen Jahren alles notiert hat. Jetzt muss man das alles nur wiederholen", sagt die 17-Jährige. "Ich habe mich erst einmal auf Deutsch konzentriert, bevor ich etwas anderes lerne. In dem Fach schreibe ich die erste Klausur."

Stress, Druck und Prüfungsangst: Davon will Abiturient Jonathan Lessing aus Hückeswagen nichts wissen. "Ich vermisse sogar ein bisschen die Aufregung", meint der 18-Jährige kurz vor seiner Prüfung. Er lernt täglich bis zu sechs Stunden, am liebsten am Abend. "Aber ich nehme es locker, habe Freizeit und lerne mit Freunden auch mal beim Grillabend." Genau wie Isabelle und Kristin glaubt er, dass man sich auf keinen Fall unter Druck setzen sollte - und gut organisiert sein muss.

Der Ausnahmezustand des Doppeljahrgangs ist vorbei. Im Schulministerium dürfte man hoffen, dass dieses Jahr auch ein anderer Ausnahmezustand ausbleibt: massenhafte Proteste gegen Abiturklausuren, die als zu schwierig empfunden werden. Die Mathe-Aufgaben 2013 waren teils umständlich formuliert und hatten eine Welle des Protests ausgelöst, die bis vors Ministerium schwappte. Hausherrin Sylvia Löhrmann (Grüne) verweigerte sich am Ende dem Wunsch, wer wolle, möge die Klausuren nachschreiben. Schnell wurde damals klar, dass hinter dem Frust über einzelne Aufgaben die grundlegende Sorge stand, der Doppeljahrgang habe ohnehin schlechtere Chancen und werde durch schwierige Klausuren jetzt nochmals benachteiligt.

Auch dieses Jahr sind viele Prüflinge vor den Klausuren sehr nervös. Doch es gebe zwei Extreme, sagt Jonathan: "Ich habe Freunde, die lernen sehr viel, und man sieht sie kaum noch. Andere lernen scheinbar gar nicht." Das kennt auch Isabelle aus ihrer Stufe: "Manche schlagen abends noch mal die Bücher auf, nachdem sie den ganzen Tag gelernt haben. Ich kenne aber auch welche, die sagen ständig, sie fangen morgen mit dem Lernen an. Jeder hat da seine eigene Strategie."

"Die jungen Leute organisieren sich sehr gut", sagt Kerstin Abs, Schulleiterin am Düsseldorfer Marie-Curie-Gymnasium, über den ersten reinen G 8er-Jahrgang. Auch ohne Doppeljahrgang haben die Lehrer am Curie dieses Jahr reichlich zu tun, denn die Abiturientia ist stark: 119 Prüflinge treten an, fast so viele wie 2013. Abs beobachtet so etwas wie einen Kulturwandel durch G 8 bei Lehrern und Schülern: "Es wird auf beiden Seiten straffer gearbeitet. Die Schüler konzentrieren sich stärker - der Fokus liegt vor allem auf den Leistungskursen."

Manche Schüler pauken in Lerngruppen oder treffen sich mit den Lehrern, um den Abitur-Stoff zu besprechen. Doch es kommt auch aufs Lernfach an, sagt Isabelle. "Meine zweite Prüfung habe ich im Fach Niederländisch. Da muss ich viele Vokabeln lernen, und das mache ich lieber alleine", erzählt sie. Beruhigend für sie: Ihren Ausbildungsvertrag bei der Landespolizei NRW hat sie bereits in der Tasche. "Daher setze ich mir auch keine Notenziele." Auch Jonathan hat seinen Vertrag schon unterschrieben.

Er beginnt im Herbst ein duales Studium. "Das gibt Sicherheit, und ich muss nicht um jede Kommastelle kämpfen", sagt er. Für Kristin hingegen ist die Zeit nach den Prüfungen die eigentliche Herausforderung: "Ich gehe nach Münster, um zu studieren. Das ist sehr aufregend und spannend, weil ich erst 17 bin." Zum ersten Mal wird sie alleine leben - das ist für sie die eigentliche Reifeprüfung.

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