Analyse Nur moderne Zoos haben Zukunft

Düsseldorf · Durch die Diskussion über Psychopharmaka für Zootiere wird das Thema artgerechte Haltung wieder aktuell. Ist die Kritik an den Tierparks berechtigt? Und wie müssen sie sich für die Zukunft aufstellen, um dem Tierwohl zu genügen?

Tierhaltung: Nur moderne Zoos haben Zukunft
Foto: dpa, imago, Corbis

Wunderschön ist "ene Besuch im Zoo", wie ihn Willy Millowitsch einst besang, heutzutage wohl nur noch für Kinder. Für Erwachsene ist es oft unterhaltsam, möglicherweise auch lehrreich, aber selten unbeschwert. Dafür wird in den vergangenen Jahren zu intensiv über artgerechte Haltung von Zootieren diskutiert. Zuletzt sorgte die Ruhigstellung von Tieren durch Psychopharmaka für Aufregung, wobei sich nach einer Liste des Landesamts für Natur und Umweltschutz herausstellte, dass die überwiegende Zahl der Medikationen medizinisch indiziert waren. Gleichwohl verhält es sich mit dem Zoobesuch ein wenig wie mit dem Steak auf dem Teller - es bereichert den Alltag, hinterlässt aber ein schlechtes Gewissen. Ist die Kritik an den Zoos berechtigt? Und wie müssen sie sich für die Zukunft aufstellen, um den gewachsenen Anforderungen an das Tierwohl zu genügen?

Weltweit gibt es etwa 12.000 bis 15.000 Einrichtungen, die sich als Zoo bezeichnen dürfen, in Deutschland sind es inklusive Wildparks rund 700. Genau weiß das keiner, was auch daran liegt, dass der Begriff Zoo weder klar definiert noch geschützt ist. Jeder, der mehrere Arten über einen gewissen Zeitraum hält und zur Schau stellt, darf sein Refugium als Zoo bezeichnen. In dieser Massierung liegt gleich das erste Problem: Nicht in jedem Park, beklagt James Brückner, Referent für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund, werden die Anforderungen des 2014 überarbeiteten Säugetiergutachtens gleichermaßen umgesetzt. "Da gibt es noch viel zu tun", sagt Brückner.

An den Vorwürfen der Tierschützer hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert. Die Gehege seien oft zu klein und damit nicht artgerecht, so dass viele Tiere Zwangsstörungen entwickeln würden, heißt es. Außerdem werde zu wenig für den Artenschutz getan, der Bildungsauftrag werde unterlaufen. Stattdessen bauten die Zoos zunehmend sogenannte Erlebniswelten, die sich mehr an den Bedürfnissen der Menschen als an denen der Tiere orientieren. Überhaupt hätten Zoos erst durch den gewachsenen öffentlichen Druck begonnen, die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbessern.

Dem widerspricht Peter Dollinger, Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten. "Tierparks haben seit Jahrzehnten aus eigenem Antrieb stets die Haltung optimiert", sagt Dollinger. Zwar habe man damit auch auf eine veränderte Einstellung des Publikums reagiert, das etwa keine gekachelten Innengehege wünsche, obwohl dies dem Tier meist egal sei. Ausschlaggebend aber sei immer das Wohl der Tiere gewesen, fußend auf sich verändernden wissenschaftlichen Erkenntnissen. "Natürlich gibt es da bei kommunal getragenen Parks auch finanzielle Grenzen", sagt Dollinger.

Ein gutes Beispiel für eine vorbildliche Umorientierung ist der Wuppertaler Zoo. Dort werden seit vielen Jahren Anlagen saniert beziehungsweise neu gebaut, um sie an die Bedürfnisse der Tiere anzupassen. So entstanden nacheinander für Orang-Utans, Brillenpinguine, Königspinguine, Okapis und Bonobos artgerechte Refugien. Nur mit der zu engen Eisbären-Anlage ist man im Zoo nicht zufrieden, eine Lösung steht noch aus. Größere Gehege und weniger Arten, von denen man zudem die Bedürfnisse kennt, das wünscht sich auch Brückner für den zukunftsfähigen Zoo. "Nicht jeder Zoo muss Eisbären, Elefanten oder Tiger führen, da sollte es bessere Absprachen unter den Parks geben", sagt Brückner. "Und was bringt etwa eine Nachzucht, wenn der natürliche Lebensraums dieses Tieres schwindet? Lieber sollte jede Haltung künftig mit einem konkreten Artenschutzprogramm im Freiland verbunden sein."

Also: Zoos ja, aber anders. Mit weniger exotischen und mehr einheimischen Tieren, dafür aber artgerechteren Bedingungen. Mit noch mehr Engagement für den Artenschutz in freier Wildbahn. Schon jetzt, rechnet Dollinger vor, investieren vor allem große Zoos einen Teil ihrer Einnahmen in Nationalparks und Schutzprogramme. Zu wenig sei das, sagt Brückner, gemessen an den Umsätzen. Rund 60 Millionen Menschen besuchen in Deutschland einmal pro Jahr einen Zoo, und die Tendenz, betont Dollinger, sei steigend.

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Was zur letzten und heikelsten Komponente im vielkritisierten System Zoo führt - dem Menschen. Denn ein Großteil der Missstimmung liegt wohl auch im gestörten Verhältnis von Mensch und Tier begründet. Dollinger geht noch weiter, attestiert gar ein gestörtes Verständnis von Natur, besonders vom Tod. "In unserer Ein-Kind-Gesellschaft dauert es generell sehr lange, bis man mit dem Tod in Berührung kommt", sagt er. Deshalb verursache die Tötung einer Giraffe wie im Zoo von Kopenhagen, deren anschließende Sezierung vor Kindern und das spätere Verfüttern an Raubtiere öffentliche Empörung, obwohl es naturkonformer sei als jeder Schlachthofbetrieb. Dollinger: "Für viele Menschen wächst das Fleisch eben im Supermarktregal."

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Was heißt das nun für die Zoos? Sie müssen dagegenhalten, müssen den sich selbst gegebenen Bildungsauftrag wahrnehmen, Wissen vermitteln, eine Brücke bauen zur Natur. Das passiert bereits in vielen Parks durch geschulte Pädagogen, müsste aber noch intensiviert werden. Der Zoo kann nur dann für sich in Anspruch nehmen, Tiere zu schützen, wenn er dies auch außerhalb seiner Mauern tut. Wenn Menschen Zoos als eine Art Arche Noah begreifen, auf der die Tiere überleben, während sie in freier Wildbahn verschwinden, haben die Parks ihre Aufgabe verfehlt. Berücksichtigen die Zoos dagegen stärker als bisher die Bedürfnisse von Tieren und Menschen, werden sie wichtiger denn je - bieten sie doch die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und zugleich unser gestörtes Verhältnis zur Natur zu kitten. So wird der Besuch im Zoo vielleicht doch noch wunderschön.

(RP)
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