Tipps für den Urlaub nebenan Salve, Soldaten und Matronen im Archäologischen Landschaftspark

Serie | Nettersheim · Im Archäologischen Landschaftspark in Nettersheim dreht sich fast alles um die alten Römer und ihre beeindruckende Geschichte. Die zahlreichen Angebote sind auch für Kinder attraktiv. Und Ende August wartet eine besondere Attraktion.

Fotos: Römisches erleben im Archäologischen Landschaftspark in Nettersheim ​
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Römisches erleben im Archäologischen Landschaftspark in Nettersheim

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Foto: Naturzentrum Eifel​ ​

Wälder, Wiesen und Feldwege, soweit das Auge reicht. Auf den ersten Blick lädt die wunderschöne Landschaft im Südwesten der Eifelgemeinde Nettersheim zum Wandern, Radfahren und Rasten in der scheinbar unendlichen unberührten Natur ein. Doch es lohnt ein genaueres Hinsehen: Von einer Anhöhe aus erkennt man einen geraden Strich, der sich von Norden nach Süden erstreckt – mal eine Schneise, mal ein Pfad, mal nur eine vage Spur im Gras. Es ist die ehemalige Via Agrippa, die römische Heerstraße, die einst Jahrhunderte lang Köln und Trier verbunden hat und bis nach Marseille reichte. Diese „Autobahn der Antike“ war nach dem Feldherrn und Politiker Marcus Vipsanius Agrippa (64 bis 12 v. Chr.) benannt.

Die Gemeinde hat entlang dieser Straße 2014 den weiträumigen Archäologischen Landschaftspark (ALP) mit acht Stationen gestaltet. „Hier sehen Sie die Überreste einer römischen Siedlung. Dort hinten erkennen Sie die Grundzüge des ehemaligen Tempels der Matronen“, erläutert Alexander Mauel. Der Teamleiter des Naturerlebnisdorfs Nettersheim steht mitten im satten Grün, tatsächlich aber auf den Überresten einer römischen Siedlung, vermutlich Marcomagus. Ab 2009 wurde sie über Jahre hinweg vom Archäologischen Institut der Universität Köln ausgegraben und erforscht. Das Matronenheiligtum gehört zu dieser Siedlung. „Ab etwa dem ersten Jahrhundert nach Christi Geburt fanden hier kultische Handlungen statt“, erläutert Mauel.

Alte Matrone – ist das nicht eine eher abschätzige Bezeichnung für eine stattliche und dominante ältere Frau? „Der Begriff ist tatsächlich von den drei römischen Mutter-Gottheiten abgeleitet, die hier in der Region besonders verehrt worden sind“, informiert Mauel. „Daher stammt auch die Redensart ,unter die Haube kommen‘ als Synonym für die Vermählung einer Frau. Denn während die junge Matrone des Trios offenes Haar trägt, sind die beiden älteren Göttinnen stets mit großen Hauben als Kopfbedeckung abgebildet, wie sie verheiratete und verwitwete Frauen einst in der Region getragen haben.“ An Station zwei ist auf einem Hügel ein Besuch bei den Matronen möglich, deren Heiligtum noch durch nachgebildete Mauerreste, Tafeln und Reliefs erkennbar ist. Erstaunlicherweise sind aktuelle Opfergaben an den Figurengruppen erkennbar: Geldmünzen, Früchte und Blumen. „Die Matronen stehen für Fruchtbarkeit und Leben. Daher gibt es hier noch Ältere, die, wenn zum Beispiel der Enkel heiratet, auf diese Weise um baldigen Kindersegen bitten.“

Die römische Geschichte liegt den Besuchern in diesem Bereich der Nordeifel im direkten Wortsinn zu Füßen: Unter anderem wird Marcomagus auf dem 4,5 Kilometer langen Rundkurs durch Teilrekonstruktionen dargestellt, während die meisten Originalsteine geschützt unter der Erde bewahrt werden. In den ehemaligen Werkhäusern eines Kalkwerks wurde eine Taverne mit Gästezimmern eingerichtet, in der Gäste übernachten können. Auch finden hier Kochkurse unter anderem für Schüler mit dem Titel „Die Römer bitten zu Tisch“ statt. Im weiteren Verlauf des Rundweges findet man einen renovierten historischen Kalkbrennofen aus früherer Zeit und einen römischen Garten. Alexander Mauel: „Die Römer brachten viele Gemüse- und Obstsorten und Gewürz- und Heilkräuter nach Germanien. Sie bereichern unsere Küche bis heute.“

Die alte Via Agrippa hat unterdessen neuzeitliche „Konkurrenz“ bekommen: Via Velo, ein Radrundweg von knapp 24 Kilometern Länge zwischen Nettersheim und Blankenheim entlang des „Erlebnisraums Römerstraße“. Wer sein Fahrrad nicht dabei hat, kann es in den beiden Orten ausleihen, auch E-Bikes sind verfügbar. Der Raum Nordeifel, einst die Nordprovinz „Germania inferior“ (Niedergermanien), weist eine der höchsten Dichten an Bodendenkmälern aus der Zeit zwischen dem ersten und vierten Jahrhundert nach Christus auf.

Die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 hat auch Nettersheim nicht verschont: Das Wasser verwüstete das Naturzentrum Eifel an der Urft, den eigentlichen Start für die Tour in die Römerzeit. Ein Baumstamm schoss quer durch das Erdgeschoss. Die Schienen der Eisenbahnlinie, die durch den Park führt, sind, massiv unterspült, noch immer unterbrochen. Dennoch sei ein Besuch lohnenswert, betont Mauel. Die zentrale Anlaufstelle ist vorübergehend in die alte Schmiede, jetzt das Haus der Fossilien, an der Bahnhofstraße 50 verlegt worden, nur zwei Minuten Fußweg vom Naturzentrum entfernt. Dort laufen die Restaurierungsarbeiten. „Wir bauen alles wieder auf. “, In diesem Jahr warten die lebensgroßen Römer-Figuren im Obergeschoss wohl noch vergeblich auf Besucher. Doch 2023 soll die Ausstellung wieder geöffnet werden.

Am noch geschlossenen Naturzentrum beginnt der „Löwenzahn“-Erlebnispfad, nicht zufällig nach der TV-Serie mit unterhaltsamer Wissensvermittlung für Kinder benannt. Das ZDF prämierte diese Sechs-Kilometer-Runde durch die Natur mit 20 Stationen, die natürlich auch durch Marcomagus führt, als besonders lehrreich. Die Kinder dürfen unterwegs nach uralten Korallen, Fossilien aus der Zeit, als die Eifel noch ein Meer bedeckte, graben und sie als Andenken behalten. „Dies erlaubt die Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen. Im benachbarten Rheinland-Pfalz ist das Sammeln dagegen verboten“, informiert der Teamleiter. Zum breiten Angebot für Kinder, Jugendliche und Familien zählt auch der Mitmach-Krimi „Der Frevel auf dem Tempelberg“, der auf Tätersuche quer durch den ALP führt.

Am Wochenende 20. und 21. August findet nach den Zwangspausen durch Corona und die Flut auch das beliebte alljährliche Römerlager wieder statt. Im offenen Lager der Römer-Darsteller der „Interessengemeinschaft Classis Augusta Germanica“ finden von jeweils 11 bis 17 Uhr wieder Vorführungen und Erläuterungen zum Alltagsleben, der Bewaffnung und der Taktik der römischen Legionäre statt, berichtet die Organisatorin Brigitte Wies. Sonntags werde auch eine Weinprobe und eine Führung durch den ALP angeboten. Der Eintritt sei frei. Am anderen Ende von Nettersheim, am „Grünen Pütz“, beginnt auch der Römerkanal-Wanderweg: Eine 95 Kilometer lange römische Wasserleitung hatte einst das antike Köln mit kostbarem Eifelwasser versorgt. Sie funktionierte allein durch ein zentimetergenau berechnetes Gefälle – eine beeindruckende Ingenieurleistung in jener längst vergangenen Zeit. Bis zu 20 Millionen Liter Wasser führte die Leitung in Spitzenzeiten täglich in die Colonia Agrippina. „Hier ist es in der Nacht noch richtig dunkel“, sagt Alexander Mauel auf dem Hügel des Matronen-Tempels. Der Naturpark Hohes Venn–Eifel will, auch gemeinsam mit der Gemeinde Nettersheim, Besuchern vor allem aus städtischen Regionen dieses beeindruckende Erlebnis nahebringen. Neben Veranstaltungen sollen auch sogenannte Sternenblicke an ausgewählten Orten installiert werden. In Nettersheim bietet sich ein Bezug zur Welt der Römer an. „Schließlich sind die Planeten, ob Merkur, Jupiter oder Mars, soweit sie damals sichtbar waren, nach römischen Gottheiten benannt worden“, sagt Mauel. Die ersten Sternenwanderungen haben bereits stattgefunden.

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