Tipps für den Urlaub nebenan „Glückauf“ im kühlen Schacht des Bergbaumuseums

Serie | Bochum · Unter Tage lässt es sich an heißen Sommertagen gut aushalten – aber vor allem lernen die Besucher des Deutschen Bergbau-Museums in Bochum, wie mit harter Arbeit der Energiehunger früherer Generationen gestillt wurde.

 Unter Tage gibt es einen Rundweg, an den Seiten stehen schwere Maschinen – und ein Pferd wiehert.

Unter Tage gibt es einen Rundweg, an den Seiten stehen schwere Maschinen – und ein Pferd wiehert.

Foto: Deutsches Bergbau Museum Bochum/Foto: Helena Grebe

Über den Wipfeln der Apfelbäume in den Bochumer Schrebergärten ragt weithin sichtbar ein hellgrünes Gerüst in den Himmel, das zwei Räder trägt: Es ist ein Wegweiser und Wahrzeichen des Ruhrgebiets zugleich – der ehemalige Förderturm der Zeche Germania, heute die Aussichtsplattform des Deutschen Bergbaumuseums. Nicht nur ein Ort für geschichtlich Interessierte, auch ein Erlebnis unter Tage, das manchen einen Schauer über den Rücken treiben wird. Hier erfahren wir, wie im Ruhrgebiet der Energiehunger unserer Vorfahren gestillt wurde und was das für die Menschen im Bergbau bedeutete: Knochenarbeit.

Der mächtige Museumsbau aus dunkelrotem Backstein diente früher als Schlachthof, während sich unabhängig davon unter der Erde ein System von Gängen erstreckte: das ehemalige Ausbildungsbergwerk, in dem bis zu den 1930er Jahre die „Kumpel“ ihr Handwerk lernten. Heute kann man darin spazieren gehen, und von den Bergleuten sind nur noch Bilder an den Wänden des Museumscafés zu finden. Folgerichtig heißt es „Kumpels“. Doch bevor man da auf einen Milchkaffee einkehrt, geht’s abwärts. Hinein in den mächtigen Metallaufzug, im gleichen Grün wie der Förderturm gestrichen, und in den Berg eingefahren. Je tiefer wir kommen, desto kühler wird es. Zwölf Grad, meint der Fahrstuhlführer, der uns den Bergmannsgruß „Glückauf“ entgegenruft. Der kühlste Ort der Stadt an einem Sommertag hat die Bochumer schon in Scharen hergelockt, als ein Radiomoderator davon erzählte. Heute sind wir zu viert. Einer begibt sich auf die Spuren seines Großvaters, der unter Tage gearbeitet hat und meint fachmännisch „Hier muss ein Höllenlärm geherrscht haben“, als wir in 20 Meter Tiefe ankommen.

  Der ehemalige Förderturm der Zeche Germania ist  heute die Aussichtsplattform des Deutschen Bergbaumuseums.

 Der ehemalige Förderturm der Zeche Germania ist  heute die Aussichtsplattform des Deutschen Bergbaumuseums.

Foto: Photographer:Karlheinz Jardner

Über Schienen geht es durch schier endlose Strebe (Fachausdruck für lange schmale Abbauräume), und würden die Schilder „Rundgang“ nicht den Weg über die 1,2 Kilometer weisen, wer weiß, in welchem Stollen wir landeten. Schnell ist klar, woher der Höllenlärm früher stammte: Links und rechts des Rundgangs öffnen sich Kojen, in denen metallene Maschinenungetüme stehen. So genannte Streckenvortriebsmaschinen haben sich in den 1960er Jahren in den Berg gefräst, nachdem der Bergmann die Spitzhacke beiseitelegte. Ganz nah kann man heute an die zahnradartigen Fräsen am Kopf dieser Monster herangehen. Auch Bohr- und Sprengverfahren werden auf dem Weg durch die Untertagewelt erklärt. Die unterirdischen Gänge wurden im Lauf der Zeit erst mithilfe von Holz, dann sicherer mit wuchtigen Metallgestängen abgestützt. Überall stehen Geräte, die teils vorsintflutlich wirken, und alle waren sie dazu da, Rohstoffe abzutragen oder an die Oberfläche zu transportieren. Was später Förderbänder erledigten, mussten zuvor Pferde übernehmen, die die Kohlewagen zogen. Der schwarze Plastikgaul „Tobias“ erinnert an Zeiten, in denen die armen Tiere in Ställen unter Tage ihr Dasein fristeten. Heute kommt das klägliche Wiehern vom Band.

Dass auch die Bergleute nicht auf Rosen gebettet waren, versteht sich von selbst – ihre schwierigen Lebensbedingungen im Ruhrgebiet des beginnenden Industriezeitalters zeigt einer von vier Rundgängen durch die Dauerausstellung. Mehr als 3000 Ausstellungsstücke sind darin zu Steinkohle, Bergbau, Bodenschätze und Kunst zu sehen. Sie atmen den Geist des Leibniz-Forschungsmuseums für Georessourcen. So nennt sich das Haus quasi im Untertitel, weil es die Aufgabe hat, sich um das Erbe des Bergbaus zu kümmern, es zu erkunden und Besuchern nahe zu bringen. Die können sich beispielsweise in liebevoll ausgestatteten Vitrinen anschauen, wie Steinkohle 1808 mit einer Dampfmaschine in einer Essener Zeche gefördert wurde. Auf Knopfdruck setzen sich Räder und Hebel des Modells in Bewegung. Selbige standen in der Wirklichkeit oft still, wenn sich die Bergleute in Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen einsetzten – auch diese Kämpfe werden in Schildern aus Demonstrationen oder auf Plakaten aus den 1960er Jahren lebendig.

 Das Modell einer Tauchpumpe für Grubenwasser.

Das Modell einer Tauchpumpe für Grubenwasser.

Foto: Deutsches Bergbaumuseum/Helena Grebe

Am Ende mag man es als Besucher kaum glauben, dass der Bergbau in Deutschland sozusagen tot ist – so lange hat er die Gesellschaft als Energieträger begleitet und die Industrialisierung vorangetrieben. Und das alles nur, weil Bochum vor über 300 Millionen Jahren am Äquator lag, und aus den damals dort wachsenden Urwäldern reiche Steinkohlelagerstätten entstanden. Schon im Mittelalter gruben Bauern und Bürger darin, nutzten den Brennstoff schließlich bis zu seiner Erschöpfung. Zurück blieb eine Landschaft, über die in den ehemaligen Revieren heute das Gras wachsen soll, damit sie zurück zur Natur kehren. Wie das geschehen kann, damit befasst sich die aktuelle Sonderausstellung (bis 15. Januar 2023): „Gras drüber… Bergbau und Umwelt im deutsch-deutschen Vergleich“.

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