First Lady 1.0

Was ein Abend im Savoy-Theater mit der Bettina-Wulff-Debatte zu tun hat: Alice Schwarzer liest aus ihrer Biografie und versammelt drei Generationen Düsseldorfer Frauen um sich, die zwei Dinge einen – die feministische Sache und eine ansteckende Freude am Leben.

Im Foyer des Savoy-Theaters hängt ein Werbeplakat für Alice Schwarzers Biografie, was nicht verwunderlich ist, schließlich liest sie gleich hier. Natürlich ist darauf ein Foto von ihr zu sehen, von wem auch sonst, doch dieses Plakat ist wirklich bemerkenswert. Denn eigentlich braucht man nur dieses Plakat, um zu wissen, welches Selbstbild Alice Schwarzer hat. Ein Ganzkörperfoto, Schwarzer schaut mit großen Augen in die Kamera, trägt ein schwarzes Kleid, die Haare offen, die Arme verschränkt, und daneben steht groß ein Zitat von ihr: "Der Motor meines ganzen Handelns ist Gerechtigkeit."

Es gehört viel dazu, so etwas drucken zu lassen. Anmaßung etwa, Verklärung und Überhöhung der eigenen Person fällt einem spontan ein, doch im Fall von Alice Schwarzer passt wohl ein Wort aus dem Jiddischem am Besten: Chuzpe.

Alice Schwarzer hat zur Lesung geladen, und die Fans sind auch gekommen. Das Theater ist nicht voll, aber gut besetzt, zu 95 Prozent mit Frauen. Das sind zum einen die Alt 68erinnen und Emma-Leserinnen der ersten Stunde: Sie folgen meist lächelnd der Lesung, lachen laut, wenn Schwarzer die Passagen aus ihrer Jugend bringt und verfallen in eine nostalgische Starre, wenn es um Sartre und de Beauvoir im romantisch abgerockten Paris der 60er oder das "epidemische Stricken" in Berliner Frauengruppen geht. Irgendwie war man ja auch dabei, oder wäre es zumindest gern gewesen.

"Das ist unsere Jugend", sagt eine Frau nach der Lesung. Sie steht in einer langen Reihe, um sich die Biografie von Alice Schwarzer signieren zu lassen. Eine andere fällt ein, dass sie die Schwarzer ja auch so lustig findet.

"Doch vor allem hat Alice viel für unsere Sache getan", sagt eine andere Frau, die noch Zeiten erlebt hat, in denen das Duzen von Fremden zum Waffenarsenal im Klassenkampf gehörte.

Vorbild sei Alice Schwarzer doch immer schon gewesen, sagt eine Mittvierzigerin, die mit einer Freundin gekommen ist. Und dann kommt man so ins Gespräch, und wie das so ist im Moment, landet man schnell bei Bettina Wulff. Von Paris nach Großburgwedel, das ist gar nicht so weit. Frau Wulff, sagt eine Frau, ist ja eigentlich so etwas wie der Gegenentwurf zu Alice Schwarzer, "die hat sich an den Mann rangehangen, und indem sie sich nun von ihm distanziert, zieht sie wieder Kapital daraus", sagt die Frau.

Auf der anderen Seite sei es ja auch schlimm, was ihr nachgesagt wurde, sagt eine andere Frau. Man plaudert, man diskutiert, derweil Alice Schwarzer Bücher signiert, Leute umarmt, laut lacht und vergnügt Weißwein kippt.

In der Reihe stehen auch Natalie Dayelkh und Charola Polychronido, 18 und 19 Jahre alt. Sie sind ein bisschen aufgeregt. Natalie erzählt, dass sie in ihrer Jahrgangsstufe ziemlich schräg angesehen wurde, als sie sagt, dass sie zu der Schwarzer-Lesung gehen. Sie trauen sich nicht, sich als Feministinnen zu bezeichnen, ärgern sich aber darüber, dass sie von vielen nur auf ihr Äußeres reduziert werden. "Gerade in unserer Generation wird das doch wieder schlimmer", sagt Charola.

Julia Ludwig ist da schon weiter. 28 Jahre alt, ist aus Bochum nach Düsseldorf gekommen, weil Schwarzer sie inspiriert hat. Es geht um die Rolle der Frau als Sexualobjekt, wie Porno-Angebote im Internet die Sicht der Jugend verändert, das Reaktionäre an Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Irgendwann ist Alice Schwarzer mit dem Signieren durch. Sie ist jetzt 69. "Ich bin müde", sagt sie.

(RP)
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