Grevenbroich/Solingen Finanzbeamte blasen bei Feueralarm die Tröte

Grevenbroich/Solingen · Die Oberfinanzdirektion Münster setzt bei neuen Finanzämtern auf eine Technik, die sie gerne verschweigt: Sie stattet einen Teil der Behördenmitarbeiter mit Plastiktröten aus, mit denen im Brandfall Alarm geblasen werden soll.

 Auf eine Tröte dieses Modells "Air Blaster Horn" greifen die Beamten zurück.

Auf eine Tröte dieses Modells "Air Blaster Horn" greifen die Beamten zurück.

Foto: Screenshot Internet

Wenn es im Grevenbroicher Finanzamt brennt, greifen die Mitarbeiter zu Tröten, um andere Kollegen vor der Gefahr zu warnen. Denn Sirenen gibt es in dem Gebäude nicht. Stattdessen stehen auf einigen Schreibtischen kleine Tröten mit Plastiktrichter, die sich "Fan Fanfare" oder "Air Blaster Horn" nennen und einen Höllenlärm erzeugen können. "Sobald zwei Fluchttreppenhäuser vorhanden sind, ist keine Alarmierungsanlage mehr notwendig", erklärt Christa Bohl, Sprecherin des Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW (BLB), der das Gebäude errichtet hat und verwaltet.

 Das Finanzamt Grevenbroich gehört zwar zu den modernsten öffentlichen Gebäuden im Rhein-Kreis Neuss, dennoch müssen die Mitarbeiter zur Warnung vor einem Brand auf rote Plastiktröten zurückgreifen.

Das Finanzamt Grevenbroich gehört zwar zu den modernsten öffentlichen Gebäuden im Rhein-Kreis Neuss, dennoch müssen die Mitarbeiter zur Warnung vor einem Brand auf rote Plastiktröten zurückgreifen.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Nicht nur beim Grevenbroicher Finanzamt werden Mitarbeiter im Ernstfall auf diese ungewöhnliche Art vor Feuer gewarnt. Auch im Solinger Finanzamt hat die Tröten, in Neuss soll es sie geben. Angeschafft haben sie die Behörden auf Anraten der Oberfinanzdirektion Münster. "Bei einigen wenigen Neubaumaßnahmen sind Finanzämter in NRW mit Alarmhupen ausgestattet worden", betont Anke Isenberg, Sprecherin der Oberfinanzdirektion Münster. Die genaue Zahl will die Behörde nicht nennen, versichert aber, dass Gebäude und Art der Evakuierung "sowohl baulich als auch organisatorisch in jeder Hinsicht dem Brandschutz" entsprächen. Diese Angaben bestätigt die Solinger Feuerwehr, wenngleich sie von dem neuen Konzept bei der Einführung sehr erstaunt war. Den Einsatz der Tröten habe man sich übrigens nicht selbst ausgedacht, sagt Isenberg. "Er beruht auf einer konkreten Empfehlung der Berufsfeuerwehr Düsseldorf."

Im Finanzamt der Stadt Solingen setzt man seit 2013, seit dem Einzug in den Neubau, auf die Trötentechnik. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass die Plastikhörner selbst eine Gefahr darstellen können: Bei einer Brandschutzübung verletzte sich eine Finanzamtsmitarbeiterin am Ohr. Denn die kleinen Trichter entwickeln eine Lautstärke wie eine Vuvuzela, ein Horn, in das Fußballfans in Stadien blasen. Wer zu dicht dransteht, muss Gehörschäden befürchten, sagen Experten. Aus diesem Grund reißen sich auch die Evakuierungshelfer in den Steuerbehörden nicht darum, die "Notsignalgeber" zu betätigen.

Das Grevenbroicher Finanzamt ist in einem modernen Gebäude untergebracht, es bietet Platz für rund 260 Mitarbeiter. Die Flure sind mit Automatik-Türen versehen, in den Aufzügen sagt eine Stimme das Stockwerk an. Fast schon könnte man das Haus als Hightech-Gebäude bezeichnen — wären da nicht die Tröten. Bei einer Rauchentwicklung werden die Beschäftigten per Computer alarmiert. Wer zu diesem Zeitpunkt in einer Besprechung oder auf dem stillen Örtchen ist, bekommt davon nichts mit. Sie sollen durch die Tröten gewarnt werden.

Die Finanzverwaltung verschweigt gerne ihre Alarmierung per Partytröte. Behördenmitarbeiter sollen öffentlich nicht darüber reden dürfen. "Diese Alarmhupen stellen eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme dar. Sie sind effizient und kostengünstig und haben den Vorteil, unabhängig von jeder Technik zu sein", erklärt Oberfinanzdirektions-Sprecherin Isenberg. Sie würden nur ergänzend genutzt und seien niemals alleiniges Alarmierungsmittel.

(RP)
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