Hattingen Feuerwehr-Chef findet seinen Sohn am Unfallort

Hattingen · Auf Facebook berichtet der 51-Jährige von dem wohl schwierigsten Einsatz seines Lebens.

Die Nachricht erreicht Frank Schacht mitten in der Nacht: Verkehrsunfall, mehrere Verletzte, Personen noch im Fahrzeug. Der Feuerwehrmann zieht sich an - noch geht er von einem Einsatz aus, wie er ihn schon oft erlebt hat. Doch dann klingelt das Handy seiner Frau, und ein Freund der Söhne stammelt etwas von einem Unfall.

Der 51-Jährige ist einer von 99.000 haupt- und ehrenamtlichen Feuerwehrleuten in NRW. Er leitet die Feuerwehr in Ennepetal und ist in seinem Wohnort Hattingen in der Freiwilligen Feuerwehr. Er ist es gewohnt, nachts zu einem Verkehrsunfall gerufen zu werden. Dafür wurde er ausgebildet, er hat es schon viele Male gemacht. Aber Schacht ist auch Vater und Ehemann. "Seit Jahrzehnten habe ich vor nichts mehr Angst: Gott, lass mich niemals meine eigene Familie retten müssen." An diesem Sonntag tritt genau das ein.

Es ist etwa 1 Uhr. Schacht setzt sich ins Einsatzfahrzeug und fährt zur Unfallstelle. Seine Söhne waren zu einer Geburtstagsfeier eingeladen und noch nicht wieder daheim. "Die Straße passt. Die Zeit passt", denkt Schacht. Dann erreicht der Feuerwehrmann den Einsatzort. Einer seiner Söhne liegt verletzt auf dem Boden. Dem Vater stockt der Atem. "Ich bin hingegangen und habe ihm gesagt: 'Ich bin da'."

Dann wird aus ihm wieder der Feuerwehrmann. Er verschafft sich einen Überblick: Zwei Autos sind frontal zusammengestoßen, mehrere Personen wurden verletzt. Nach und nach treffen weitere Feuerwehrleute, Polizisten und Ärzte ein. Auch die Einsatzleitung kommt - und schickt Schacht weg.

"Das ist in einer solchen Situation absolut notwendig", sagt Christoph Schöneborn, Landesgeschäftsführer des NRW-Feuerwehrverbandes. Wenn Einsatzkräfte von einem Ereignis persönlich betroffen seien, würden sie abgezogen. "Sie können sich nicht mehr auf den Einsatz konzentrieren, wenn etwa ein Angehöriger bei einem Unfall verletzt wurde. Wir sind schließlich keine Maschinen." Deshalb werde Betroffenen ein Seelsorger zur Seite gestellt.

Frank Schacht hat schon oft ein Unfallopfer gekannt, aber jetzt ist es sein Sohn, und er darf nicht eingreifen. Der 51-Jährige weiß, dass die Einsatzleitung "das einzig Richtige" gemacht hat. Es hilft ihm, dass er die Kollegen kennt. Dennoch: "Nicht einzugreifen, war unerträglich."

Die Verletzten werden auf umliegende Krankenhäuser verteilt. Niemand ist in Lebensgefahr, aber sein Sohn ist schwer verletzt. Es scheint aber glimpflich ausgegangen zu sein: "Da waren eine Menge Schutzengel im Spiel", sagt er.

Am Abend schreibt Schacht auf seiner Facebookseite über den Unfall. Er wolle Danke sagen dafür, wie professionell seine Kollegen gearbeitet hätten. "Egal in welcher Uniform: Es sind großartige Menschen, die Dienst am Nächsten leisten. Wir können uns auf unser Hilfeleistungssystem verlassen."

(RP)
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