Erinnern an den "Tag der Schande"

Im Plenarsaal des Düsseldorfer Rathauses gedachten gestern 300 geladene Gäste der Pogromnacht vor 73 Jahren. Als einer der Redner plädierte Landes-Arbeitsminister Guntram Schneider für eine "Erinnerungskultur – gegen das Vergessen und um zu verhindern, dass es wieder geschieht".

Es war die Nacht zum 10. November 1938, in der die Synagoge an der Kasernenstraße in Flammen stand – und die städtische Feuerwehr sich lediglich bemühte, die Nachbargebäude zu schützen. Es war dieselbe Nacht, in der Max Goldberg die Polizei anrief, weil er gehört hatte, dass jüdische Freunde überfallen worden waren – und niemand kam.

73 Jahre ist das heute her und "für uns Juden noch immer eine alptraumhafte Erinnerung", sagte Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Düsseldorfs, die vor 1933 zu den größten in der damaligen Rheinprovinz gehörte. Vor der Gedenkstunde im Rathaus hatte er mit OB Dirk Elbers am alten Standort der Synagoge Kränze niedergelegt. Der Rabbiner sprach das Totengebet nicht nur für die 18 Menschen, die in der Pogromnacht in Düsseldorf ermordet worden waren, sondern auch für die Millionen aus ganz Europa, deren Leidensweg an jenem Tag begann.

Mut und Zivilcourage fördern

"Erinnern und Gedenken ist das Mindeste, was wir den Opfern schuldig sind", sagte Horowitz. Die Aussage vieler Deutscher, sie hätten von den Verbrechen nichts gewusst, scheine im Licht neuerer Geschichtsforschung immer weniger glaubhaft. Die Deportationen der jüdischen Mitbürger seien ebensowenig zu übersehen gewesen wie die Ereignisse der Pogromnacht.

Es sei die "unfassbare Gemeinsamkeit" von Pogrom und den Deportationen, deren Beginn sich in Düsseldorf kürzlich zum 70. Mal jährte, "dass sie vor den Augen der Öffentlichkeit geschahen", sagte Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg. Im Foyer des Landtags erinnert derzeit eine Ausstellung an die Deportationen der Juden aus dem Rheinland ins Ghetto Lodz. Die Frage, warum nur so wenige widerstanden und warum sich so viele vom Hass der Nationalsozialisten anstecken ließen, sei kaum zu beantworten, müsse aber immer wieder gestellt werden, sagte Uhlenberg, der zugleich betonte, dass der Plan der Nazis nicht aufgegangen sei: "Heute freuen wir uns über ein erstarktes jüdisches Leben in unserem Land."

Landesarbeitsminister Guntram Schneider plädierte für die Pflege der Erinnerungskultur. "Sie ist nötig gegen das Vergessen und dafür, zu verhindern, dass so etwas wieder geschieht. In Deutschland darf niemand mehr Angst haben müssen", zitierte er den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau.

Schüler des Lore-Lorentz-Berufskollegs, die vor wenigen Wochen Auschwitz besucht und mit der Tochter des eingangs erwähnten Anwalts Max Goldberg über deren Erinnerungen an die Pogromnacht gesprochen haben, wagten den Blick nach vorn: "Wir sind nicht schuld an dem, was unsere Vorfahren taten. Aber wir machen uns schuldig, wenn wir uns nicht gegen Rechtsextremismus und Gewalt zur Wehr setzen."

Goldbergs Tochter Lotte war Ehrengast der Gedenkstunde. Sie ist mit ihrer Familie aus den USA gekommen, um vor allem Schülern die Ereignisse von damals zu beschreiben. Für dieses Engagement dankte OB Dirk Elbers ihr ganz besonders. Er wies in seiner Ansprache auf das städtische Projekt Zivilcourage hin, mit dem letztlich auch der Mut gefördert werden solle, "der vor 73 Jahren gefehlt hat".

(RP)
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