Erdogan kann Menschen ermutigen

Am Sonntag spricht Tecep Tayyip Erdogan bei einer Veranstaltung im ISS Dome in Düsseldorf. Erinnerungen an seine Rede in der Köln Arena im Jahre 2008 werden wach und viele stellen sich die Frage: Wird er klüger sprechen als in Köln? Wird die Veranstaltung der Integration dienen oder wird eine neue polarisierende Debatte ausgelöst?

Wir erinnern uns an Köln: Tausende Plakate in türkischer Sprache dominierten das Stadtbild, als für die Veranstaltung geworben wurde. Viele Kölner fragten sich: Ist das noch unsere Stadt, in der wir die Plakate und die Slogans, die dort abgedruckt wurden, nicht verstehen? Dies ist in Düsseldorf nicht festzustellen.

Als was kommt der türkische Ministerpräsident? Wenn er als Wahlkämpfer kommt, um Menschen, die die türkische Staatsbürgerschaft haben, zu motivieren bei bevorstehenden Wahlen seiner Partei, der AKP die Stimme zu geben, dann ist dies legitim. Auch deutsche Politiker haben gelegentlich im Ausland Wahlkampf gemacht, bei den Deutschen, die sich in Spanien niedergelassen haben oder auch bei den Deutschen, die in Aachen jenseits der Grenze in Belgien leben, aber bei der Bundestagswahl stimmberechtigt sind.

Solche Reden und Auftritte erfordern aber eine erhöhte Sensibilität. Ich selbst habe bei Veranstaltungen in Ostbelgien gesprochen und darauf geachtet, mit dem nötigen Respekt nicht in die belgische Innenpolitik einzugreifen. Diesen Respekt erwarte ich auch vom türkischen Ministerpräsidenten.

Was könnte er sagen? Er könnte erneut dazu aufrufen, die deutsche Sprache zu erlernen, um die Bildungschancen des Landes, in dem Kinder und Jugendliche leben, in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist in Ordnung, wenn er Menschen ermutigt, die türkischen Wurzeln, die Kultur, auch die Religion nicht zu vergessen, aber es ist nicht in Ordnung, wenn er Assimilation ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" nennt. Niemand in Deutschland erzwingt Assimilation. Wir erwarten Integration, bei der jeder seine Religion und seine Kultur bewahren kann, soweit er die Gesetze und die Grundordnung unserer freiheitlich-demokratischen Verfassung anerkennt.

Religionsfreiheit ist ein hohes Gut in unserer Verfassung, und die religiöse Ausübung wird in unserem Land hoch geachtet. So wie Menschen muslimischen Glaubens bei uns Gotteshäuser zum Gebet errichten, so erwarten wir allerdings auch, dass die Christen in der Türkei gleichermaßen ihre religiösen Rechte wahrnehmen und gleichermaßen Kirchen bauen können. Auch dazu könnte er etwas sagen.

Präsident Erdogan hat die Chance, Menschen zu ermutigen, aus ihrer Opferrolle heraus zu kommen. Die deutsche Gesellschaft bietet heute jedem Aufstiegschancen. Das Ziel aller Bildungs- und Integrationspolitik ist es, Bildungschancen nicht abhängig zu machen vom Elternhaus. Unsere Kitas, die Sprachförderung zur Aufgabe haben, unsere Schulen, die in Ganztagsangeboten auch die Kindern unterstützen, denen Eltern nicht helfen können, erweitern Bildungschancen.

Neben den immer weiter wachsenden Erfolgsgeschichten gibt es auch Beispiele misslungener Integration. Sie schaden nicht nur dem Zusammenleben in Deutschland, sondern auch dem Image der Türkei in der Welt. Ähnlich wie manche Deutsche durch ihr Auftreten im Ausland das Image unseres Landes schädigen, so schädigen Menschen, die sich nicht an die Gesetze und Regeln in Deutschland halten, dem Land, aus dem ihre Vorfahren stammen.

Deshalb wünsche ich mir eine versöhnliche, eine kluge, eine ermutigende Rede, die das Zusammenleben Menschen unterschiedlicher Kulturen verbessert. Ich wünsche mir, dass wir nicht eine von Wahlkampfzorn erfasste polemische Rede hören, die uns in der nächsten Woche erneut eine negative Integrationsdebatte beschert.

(RP)
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