Eine überzeugende Evita

Wenn sie in ihrem unschuldig-weißen Kleid auf dem Balkon steht und sich an ihr Volk wendet, dann ist es der Moment, auf den die meisten gewartet haben. Bei "Don't Cry for Me Argentina" hätte man eine Stecknadel fallen gehört, so still war es bei der Premiere des Musicals "Evita" im Capitol Theater. Kaum ein Lied – bis auf "Memory" aus "Cats" hat ein Musical so stark geprägt wie dieser Song.

Dabei versteht es Abigale Jaye als Eva Peron zu überzeugen. Sie ist der strahlende Mittelpunkt der Inszenierung. Sie ist die Evita, besitzt die Wandlungsfähigkeit vom Straßenkind bis zur First Lady, als Hure und Heilige. Und mit jedem Perückenwechsel erblondet die Brünette mehr, entwickelt sich zur Stilikone.

Das inzwischen mehr als 30 Jahre alte Musical von Andrew Lloyd Webber hat an Reiz nichts verloren. Es schildert das Leben der mittellosen Schauspielerin Eva Duarte, die an der Seite von Juan Peron (Earl Carpenter) zum Mythos des argentinischen Volkes avanciert. Doch es ist keine Heile-Welt-Geschichte. Den kometenhaften Aufstieg zur Präsidentengattin Argentiniens kommentiert kritisch eine Kunstfigur – der junge Revolutionär Che. Mark Powell hat Charisma und ist ein großartiger Erzähler – mal lässig-locker, mal sarkastisch-böse. Beeindruckend auch das wandelbare, schlichte Bühnenbild mit raffinierten Lichteffekten. Da macht es Spaß, in das bunte Straßenleben Argentiniens einzutauchen. Denn das Ensemble versteht nicht nur, gut zu singen, sondern auch gut zu tanzen, obwohl es leider viel zu wenig Tanz-Szenen gibt.

Die Heiterkeit des ersten Teils verstummt in der Dramatik des Schlussaktes. Dann, wenn die 33-jährige, an Gebärmutterhals-Krebs erkrankte Evita im Sterbebett liegt und – ähnlich einer italienischen Oper – einen langsamen Tod stirbt. Das sind zwar berührende Momente, die allerdings hätten pointierter sein können – trotz des gefühlvollen Songs "You must Love me", den Webber für die Evita-Verfilung mit Madonna geschrieben hat.

Und dann endet es, wie es begonnen hat: mit der Trauerfeier Evitas. Die lässt das Publikum fast verstummen mit verhaltenem Applaus. Doch enthusiastischer Beifall, als das Ensemble noch einmal die Bühne betritt.

Capitol Theater, Erkrather Straße, bis 3. April täglich außer mo, 20 Uhr, So 19 Uhr, Sa und So auch um 15 Uhr

(RP)
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