Düsseldorfs neue Popstars

Die Band Stabil Elite veröffentlicht heute ihr Debütalbum. "Douze Pouze" ist ein Meilenstein in der musikalischen Biografie der Stadt. Zu hören ist Sternenstaub-Pop mit historischem Bewusstsein. So populär klang elektronische Musik aus Düsseldorf seit Jahrzehnten nicht mehr.

Wer ausgeht in dieser Stadt, wer zuhört, wenn Bands aus Düsseldorf in den Clubs ihrer Heimat Musik machen, wird es merken: Hier passiert etwas. Es ist wieder aufregend, unterwegs zu sein. Das Trio Stabil Elite trägt entscheidend dazu bei: wenige, aber aufsehenerregende Veröffentlichungen; vielversprechende Konzerte. Musikmagazine brachten Fotostrecken mit der Band, steckten die Musiker in Designerkleidung, das sah gut aus. Seit Monaten reden die Leute über die jungen Männer von Mitte zwanzig: Ob man schon Songs aus deren Debütalbum gehört habe, das soll ja groß geworden sein.

Heute endlich erscheint "Douze Pouze", und das ist tatsächlich eine großartige Platte, ein Meilenstein in der musikalischen Biografie dieser Stadt. Seit den Kraftwerk-Veröffentlichungen der frühen 80er Jahre hatte elektronische Musik aus Düsseldorf nicht mehr so viel populäres Potenzial. Die Stücke sind mit unheimlicher Präzision gebaut, Sternenstaub-Pop ohne Berührungsangst mit dem Mainstream. Sie pluckern und säuseln, aber sie sind so pointiert, dass sie nie ins Egale wegtröpfeln. Die auf Deutsch gesungenen Texte klingen originell, und eigentlich möchte man der Gruppe nach mehrmaligem Hören der zwölf Stücke nur eines raten: Ein bisschen weniger Stilbewusstsein und etwas mehr Wahnsinn täten dem einen oder anderen Track durchaus gut.

Stabil Elite zitiert die gesamte Düsseldorfer Musikgeschichte, die Band tut das respektvoll, aber nicht devot. Man hört den Einfluss von Kraftwerk und Neu!, man fühlt sich an Rheingold und die "Dreiklangsdimensionen" erinnert und überhaupt an alles, was 1981 gut klang und Avantgarde war.

Seit einigen Jahren entsteht in Düsseldorf wieder bemerkenswerte Musik, freie Geister und kluge Köpfe wie Stefan Schwander (Antonelli, Harmonious Thelonious), Stefan Schneider (To Rococo Rot, Mapstation), Detlef Weinrich (Kreidler, Tolouse Low Trax) und Thomas Klein (Kreidler, Solyst) arbeiten hier. Sie alle pflegen den Austausch mit Lucas Croon, Nikolai Szymanski und Martin Sonnensberger von Stabil Elite; der "Salon des Amateurs" unter der Kunsthalle ist dabei so etwas wie das Schulzentrum, und durch diese Kontakte verfeinern die jüngeren Musiker ihr Gespür für Sounds.

"Douze Pouze" gibt einem das Gefühl, in einer pophistorisch bedeutenden Stadt zu leben. Stabil Elite flanieren durch die Archive und wählen mit gesunder Arroganz das Beste aus. Was sie schließlich mitnehmen, wird mit großer Ernsthaftigkeit bearbeitet und umgestaltet. Sie sind keine Nostalgiker, sie wissen bloß, was gut ist. Und gut sind Drums, Bass und Synthesizer.

Wer die Qualität von "Douze Pouze" ermessen will, muss auf Details achten. Auf den Beat, mit dem sie das zunächst simpel strukturierte Eröffnungsstück "Drei gerade Zahlen" in der Mitte brechen und in ein Monster verwandeln. Oder auf die japanischen und indischen Klangmuster, mit denen sie den Hörer in die Irre führen, um ihn dort mit Klangschleifen zu fesseln und in den elektronischen Eisregen zu stoßen. Oder auf die unprätentiöse Art, zu zitieren – in "Milchstraße" etwa, wo von Kraftwerks "Metall auf Metall" und "Zurück zum Beton" von S.Y.P.H. alles in die Disco geholt wird, was Jugendkultur in Düsseldorf war.

Vielleicht ist das größte Verdienst dieses wunderbaren Debüts diese Erkenntnis: Früher war nicht alles besser, heute ist es genauso gut.

(RP)
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