Umstrittene Ausfallhonorare Patienten sollen Strafen fürs Schwänzen beim Arzt zahlen

Düsseldorf · Niedergelassene Fachärzte verlangen bis zu 40 Euro, wenn Patienten unentschuldigt fehlen. Das Terminschwänzen störe die Abläufe in der Praxis und sei auch mit einem Honorarausfall verbunden, sagen sie. Ob das überhaupt rechtens ist, ist umstritten.

 Eine Behandlung beim Hausarzt (Symbolfoto).

Eine Behandlung beim Hausarzt (Symbolfoto).

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Niedergelassene Ärzte verlangen immer häufiger eine Ausfallgebühr von Patienten, die zum vereinbarten Termin nicht erschienen sind und ihn nicht oder zu kurzfristig abgesagt haben. In Düsseldorf etwa werden in manchen Praxen 40 Euro für ein Nicht-Erscheinen fällig. Ärzte und Kassenärztliche Vereinigungen begründen dieses Vorgehen vieler Ärzte damit, dass bis zu 30 Prozent der vereinbarten Arzttermine nicht wahrgenommen würden. Dies führe zu Organisationsproblemen in den Praxen und zu Verdienstausfällen. Jährlich vergeben Arztpraxen in Deutschland 600 Millionen Termine.

Ob die Gebühren rechtens sind, ist umstritten. Bisher entschieden Gerichte mal für den Patienten, mal für den Arzt. Hintergrund der Entwicklung dürfte auch das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sein, das viele Ärzte verärgert. Es wird voraussichtlich am 1. Mai in Kraft treten. Es verpflichtet niedergelassene Ärzte, mindestens 25 Sprechstunden pro Woche anzubieten. Die große Koalition will damit die durchschnittlichen Wartezeiten von gesetzlich Versicherten auf Facharzttermine verkürzen. Die Ärzteschaft wehrt sich vehement dagegen, weil sie darin einen unzulässigen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit sieht.

In Düsseldorf erklärte ein Arzt, die Ausfallgebühr von 40 Euro entspreche seinem Honorar für eine Sprechstunde von 15 Minuten. Vielen Patienten sei nicht bewusst, was ihr unentschuldigtes Fernbleiben für eine Praxis bedeute. Er und seine beiden Mitarbeiterinnen hätten dann einen „Leerlauf“, und Patienten, denen man gerne einen Termin geben würde, könne man keinen geben, weil der Terminplaner voll sei.

Das ist kein Einzelfall. In der „Frauenärztlichen Gemeinschaftspraxis im Klemensviertel“ in Kaiserswerth geht man sogar einen Schritt weiter: Wer seinen Termin nicht 24 Stunden vorher absagt, muss dort 35 Euro zahlen. Vor der Einführung dieser Gebühr habe es jeden Tag ein bis zwei Termine gegeben, zu denen die Patientinnen nicht kamen und sich auch nicht abmeldeten. Ein Ärgernis, so Frauenarzt Hans-Wilhelm Coenen, zumal die Patientinnen online rund um die Uhr Termine verlegen oder absagen könnten. Inzwischen würden nur noch ein bis zwei Termine pro Woche versäumt. Wenn eine Patientin sich weigert, die Terminausfallgebühr zu zahlen, betrachtet Coenen das als immensen Vertrauensverlust im Arzt-Patienten-Verhältnis: Dann würde er sie nur noch im Notfall behandeln.

15 Prozent aller Facharzt-Termine, die seit 2016 über die Termin-Servicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen vermittelt werden, würden aktuell von den Patienten nicht wahrgenommen und zwar meist unentschuldigt, sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Der Ärger der Mediziner sei nachvollziehbar. Der NAV-Virchow-Bund, der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, spricht sogar von einer Ausfallquote von 30 Prozent und forderte daher jüngst, Terminschwänzer für Termine über die Servicestellen für einen Zeitraum von vier Wochen zu sperren.

Juristisch ist die „Gebühr“ strittig. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür zwar im Bundesmantelvertrag oder vertragsärztlichen Bereich nicht, sagt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein. Beurteilt werden Fälle von Gerichten allerdings sehr unterschiedlich. Darauf weist auch die Verbraucherzentrale hin. So gaben Gerichte schon Ärzten recht, wenn etwa in der Bestellpraxis eine zeitaufwendige Behandlung angestanden hatte. Dafür müsse aber eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Arzt und Patient bestehen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte Ärzte, die Ausfallgebühren verlangen. „Sehr häufig wird der Patient wegen einer Überweisung oder anderem in die Praxis einbestellt, obwohl es gar nicht notwendig wäre. Dafür wird er ja auch nicht entschädigt“, sagte Lauterbach. „Diese Art Zusatzeinkommen für die Ärzte lehne ich ab.“

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