Kleve Digitale Tafel reagiert auf Wildwechsel

Düsseldorf/Kleve · Die Zahl der durch Rehe, Hirsche und Wildschweine verursachten Autounfälle ist in diesem Jahr bereits deutlich gestiegen. Dabei beginnt die unfallträchtigste Zeit erst mit der Zeitumstellung am Wochenende.

 Durch das digitale Schild ist die Zahl der Unfälle auf der Landstraße im Reichswald zurückgegangen, sagt Gerhard Thomas von der Kreisjägerschaft Kleve.

Durch das digitale Schild ist die Zahl der Unfälle auf der Landstraße im Reichswald zurückgegangen, sagt Gerhard Thomas von der Kreisjägerschaft Kleve.

Foto: Evers, Gottfried

Der Wagen von Hannes Pirch hat nur noch Schrottwert: Der Kühlergrill und die Motorhaube sind eingedrückt, die Windschutzscheibe zersprungen. Der erst drei Monate alte BMW-Kombi hat einen wirtschaftlichen Totalschaden. Ein Wildschwein ist dem 57-jährigen Duisburger auf einer Landstraße vors Auto gelaufen. Er konnte nicht mehr bremsen und ausweichen. "Ich sah irgendwas im Augenwinkel von rechts auf die Straße laufen, dann hat es schon gekracht. Das ging alles blitzschnell", schildert er seine Erinnerungen an den Unfall vor drei Wochen. Der Bankangestellte hatte Glück im Unglück: Bis auf ein paar Schrammen und eine leichte Gehirnerschütterung kommt er mit dem Schrecken davon.

Nicht immer enden solche Zusammenstöße so glimpflich. Die Zahl der Wildunfälle ist in diesem Jahr bislang schon deutlich höher als im Vorjahr. Der Deutsche Jagdverband hat bundesweit bereits knapp 210.000 Unfälle gezählt, ein Anstieg um sieben Prozent. In NRW gab es rund 50.000 Wildunfälle. Dabei kamen insgesamt 20 Menschen ums Leben, mehr als 300 wurden zum Teil schwer verletzt. Der Jagdverband schätzt, dass dabei ein Schaden von rund einer halben Milliarde Euro entstanden ist. Schätzungen zufolge sterben durch Zusammenstöße mit Autos jedes Jahr 200.000 Rehe und mehr als 20.000 Wildschweine.

Und die unfallträchtigste Zeit des Jahres steht erst noch bevor. Der Deutsche Tierschutzbund warnt: "Mit der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit am Wochenende beginnt die gefährlichere Jahreszeit für Autofahrer." Das Risiko für Wildunfälle erhöhe sich ab dann deutlich, "da sich der Berufsverkehr in die Dämmerungsstunden verlagert, zeitgleich aber viele Wildtiere auf Nahrungssuche sind", erklärt ein Verbandssprecher. Zu vermehrten Wildwechseln kommt es, wenn die Tiere im Herbst zwischen ihren Rückzugsgebieten und den abgeernteten Feldern zur Nahrungssuche wechseln. Zwischen vier und sieben Uhr morgens sowie von 17 bis 23 Uhr ist die Gefahr am größten, mit Wild zusammenzustoßen, das über die Straße läuft.

Anders als in weiten Teilen des Landes ist die Zahl der Wildunfälle im Zuständigkeitsbereich der Kreisjägerschaft Kleve rückläufig. Dort werden Verkehrsteilnehmer seit einigen Jahren an zwei Straßen, über die besonders viel Wild quert, durch spezielle Warnanlagen auf die Gefahr aufmerksam gemacht. Ähnlich wie etwa die digitalen Tafeln auf den Autobahnen, die auf Staus hinweisen, signalisiert diese Anlage dem Autofahrer, dass zum Beispiel in der nächsten Kurve gerade Rehe über die Straße laufen. Die beiden Geräte stehen am Reichswald an der L 448 und der B 504. Gerhard Thomas (64), Vorstandsvorsitzender der Klever Kreisjägerschaft, erklärt: "Die Warnschilder leuchten auf, wenn Wild durch eine Lichtschranke läuft, die sich über eine Länge von 1100 Meter erstreckt."

Wissenschaftliche Untersuchungen der Forschungsstation des Landesbetriebs Wald und Holz haben ergeben, dass die Zahl der Wildunfälle in dem Bereich deutlich zurückgegangen ist, seit es die Warnanlagen gibt. Die Anlage kostete rund 100 000 Euro. Finanziert wurde sie seinerzeit durch die Euregio, das Land NRW und die niederländische Provinz Limburg. Das System ist bundesweit einzigartig. Obwohl es nachweislich zum Sinken der Unfallzahlen beigetragen hat, wird die Anlage nicht von anderen Städten und Kreisen übernommen. Die Anschaffungs- und Wartungskosten seien zu hoch, argumentieren die Kommunen.

Der Kreis Gütersloh testet deswegen eine deutlich günstigere Alternative: blaue statt rote Lichtreflektoren. Sie sollen Wild bei Gefahr durch ein nahendes Auto durch einen Lichtreflex irritieren, so dass die Tiere vor der Straße stehen bleiben oder zurücklaufen. "Das Rehauge ist für die Farbe blau besonders empfindlich", erklärt ein Gütersloher Förster. Das Institut für Waldbiologie in Göttingen bestätigt, dass Reflektoren ein wirksames Mittel sind, um Wildunfälle zu reduzieren.

Auch Thomas Gerhard ist von der Wirksamkeit der Reflektoren überzeugt. Auf die elektronische Warnanlage will er aber nicht verzichten. "Jeder Unfall, der dadurch verhindert werden kann, rechtfertigt die hohe Investition."

(RP)
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