Katastrophe in Düsseldorf vor 20 Jahren 11. April 1996 — der Tag, an dem der Flughafen brannte

Düsseldorf · Vor 20 Jahren kamen beim Düsseldorfer Flughafen-Brand 17 Menschen ums Leben. Das Feuer war bei Schweißarbeiten in einer Zwischendecke entstanden und wurde zu spät entdeckt. Ins Gefängnis musste dafür niemand.

Als der Flughafen Düsseldorf brannte
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Es ist der 11. April 1996, zwischen 15.30 und 16 Uhr, als Christian R. aus dem Waschraum in der Lufthansa-Lounge im Düsseldorfer Flughafen tritt. Er hat sich kurz frisch gemacht, denn er hat noch viel Zeit, bis sein Flug nach Dresden aufgerufen wird. Von der Lautsprecherdurchsage, dass wegen einer technischen Störung das Gebäude geschlossen werde und alle den Anweisungen des Personals zu folgen haben, hat er auf der Toilette nichts mitbekommen. "Als ich die Tür aufmachte, war alles dunkel und niemand war mehr da", sagt er später.

Düsseldorfer Flughafenbrand – die Stunden der Katastrophe
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Foto: Rheinische Post Archiv

Stattdessen ist alles voller Qualm. Die Lounge ist abgeriegelt, R. hinter einer fest verschlossenen Glastür gefangen, die er vergeblich versucht, mit seinem Koffer einzuschlagen. R. sitzt in der Falle. Man hat ihn vergessen. Ihm bleibt keine andere Wahl, als zurück in den Waschraum zu gehen. Er dichtet die Türspalten mit nassen Papiertüchern ab, damit der Qualm nicht zu ihm vordringt. Dann ruft er mit dem Handy seine Sekretärin in Dresden an, erklärt ihr genau, wo und in welcher Notlage er sich befindet. Sie schafft es mit Hilfe von Kollegen trotz des Chaos, Rettungskräfte am Düsseldorfer Flughafen zu verständigen und diese zu R. in den Waschraum zu dirigieren, der dann unverletzt befreit werden kann.

Gedenktafel im Andachtsraum

Es ist bis heute das schwerste Unglück, das sich auf einem Flughafen in Deutschland zugetragen hat. 20 Jahre ist die Brandkatastrophe am kommenden Montag her. Viel erinnert am Düsseldorfer Flughafen nicht mehr an das Inferno, bei dem 17 Menschen ums Leben gekommen und 88 schwer verletzt worden sind. Nur eine Gedenktafel im Andachtsraum der Flughafenkapelle weist auf die dramatischen Momente hin, die sich in den Nachmittagsstunden des 11. Aprils 1996 in Teilen des Gebäudes abgespielt haben.

Ursache für den Brand waren Schweißarbeiten in einer Dehnungsfuge. Hinzu kommen Schlamperei, behördliches Versagen und überforderte Rettungskräfte: Es hat weder ausreichend viele Rauchmelder noch genügend Fluchttüren gegeben, die Entrauchungsanlage hat auch nicht richtig funktioniert. Eine Sprinkleranlage hat ganz gefehlt.

Der Flughafen nach dem Brand von 1996
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Die Flughafenfeuerwehr ist an dem Tag unterbesetzt gewesen, zudem haben sich einige von ihnen im Flughafen nicht richtig ausgekannt. Eine Expertenkommission stellt bei der Untersuchung auch fest, dass schon beim Bau des Airport-Gebäudes in den 1960er Jahren gegen Vorschriften verstoßen worden ist: In den Zwischendecken sind leicht brennbare Styroporplatten eingebaut worden. Aus Kostengründen hat man auf ausreichend brandsichere Baustoffe verzichtet, stellt sich heraus.

Es herrschte Ferienbetrieb

Die Tragödie beginnt mit einem vermeintlich harmlosen Brand in einem Blumenladen. Der 11. April 1996 ist der Donnerstag nach Ostern. Am Airport, der damals noch den Namen "Rhein-Ruhr-Flughafen" trägt, ist viel los. Es herrscht Ferienbetrieb. Gegen 13 Uhr beginnen zwei Arbeiter in der Ankunftsebene des Terminals A mit Schweißarbeiten an einer Dehnungsfuge oberhalb eines Blumenladens. Die Werksfeuerwehr weiß davon nichts. Man hat vergessen, sie zu informieren. Die vorgeschriebene Brandwache fehlt deshalb. Gegen 14.30 Uhr inspiziert ein Architekt des Flughafens die Baustelle. Die Arbeiter weisen ihn darauf hin, dass Funken von der Decke fliegen. Er verspricht, der Feuerwehr Bescheid zu geben, versäumt aber, das sofort zu tun. Die Arbeiter schweißen weiter.

Eine weitere Stunde später fallen einem Taxifahrer die Funken ebenfalls auf, die aus der Decke im Terminal A sprühen. Er meldet das sofort der Flughafenfeuerwehr. Diese trifft vier Minuten später ein. Erst jetzt werden die Arbeiten abgebrochen. Der Schwelbrand, der bereits in der Zwischendecke lodert und sich durch die Styroporplatten schnell ausbreitet, bleibt zunächst aber unentdeckt. Man geht als Ursache für den Funkenflug von einem technischen Defekt in der Elektronik aus.

Ein Feuerwehrmann will sich das aber genauer anschauen und öffnet die Zwischendecke der Ankunftshalle, um einen Blick hinein zu werfen. Durch den Sauerstoff, der nun von außen in die Röhre strömt, wird aus dem Schwelbrand eine Feuerwalze, die sich in Sekundenschnelle durch die gesamte Zwischendecke der Flughafenhalle frisst. Christian R. ist zu diesem Zeitpunkt im Waschraum der Lufthansa-Lounge, die sich nahe des Terminals A befindet.

Erst um 15.55 Uhr wird Brandalarm ausgelöst. Etwa zehn Minuten später öffnen Feuerwehrleute vom Rollfeld her die Außentüren des Terminals. Gegen 16.30 Uhr dringen die Helfer in die Ankunftsebene vor. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 16 Menschen im Rauch erstickt. Der Flugverkehr wird erst um 16.36 Uhr eingestellt und nach Köln/Bonn umgeleitet, obwohl schon längst eine gewaltige Rauchsäule über dem Airport steht, die kilometerweit zu sehen ist. Gegen 19.30 Uhr haben die etwa 1000 Feuerwehrleute den Großbrand allmählich unter Kontrolle.

Acht Menschen sterben in der Air-France-Lounge. Der einzige, der sich aus diesem Raum befreien kann, ist ein französischer Unternehmer. Als der Rauch durch die Klimaanlage gekommen ist, "griff ich nach einem schweren Sessel, der neben mir stand, nahm Anlauf, um das Fenster zu zertrümmern und beschloss zu springen", berichtet er. Der Franzose überlebt den Sprung in die Tiefe mit schweren Schädelverletzungen. Fünf Menschen kommen in einem Aufzug ums Leben, darunter ein Vater mit seinem Sohn. Als sich die Türen geöffnet haben, ist ohne Vorwarnung der schwarze Qualm in den Aufzug geströmt. Die Türen haben sich nicht mehr rechtzeitig schließen können. Weitere Personen ersticken auf Flughafentoiletten.

Die Durchsage, die Christian R. im Waschraum überhört hat, hallt auch am Morgen nach der Katastrophe noch vom Endlosband durch die menschenleeren Hallen. Der 36-Jährige liegt zur Untersuchung im Düsseldorfer Marienhospital. Der damalige NRW-Innenminister Franz-Josef Kniola ist am Tag nach dem Inferno zu Besuch bei ihm. R. erzählt dem Minister, dass er schon fast alle Hoffnungen aufgegeben habe, als er im Waschraum auf Rettung gewartet habe. Wie knapp der Dresdener Geschäftsmann dem Tod tatsächlich entkommen ist, zeigt der Fundort der acht Leichen in der Air-France-Lounge, die nur 50 Meter neben dem VIP-Bereich der Lufthansa gelegen hat.

Viele Angehörige enttäuscht von Justiz und Politik

Dreieinhalb Jahre nach dem Brand beginnt im Dezember 1999 der Prozess vor dem Düsseldorfer Landgericht. Angeklagt sind elf Schweißer, Architekten, Manager und Brandschutz-Verantwortliche wegen fahrlässiger Brandstiftung mit Todesfolge sowie Gebäudegefährdung. Doch schon 2001 stellt das Landgericht das Verfahren nach einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen nach 89 Verhandlungstagen ein. Die Schuld jedes der neun Angeklagten sei zu gering und rechtfertige nicht eine jahrelange Fortsetzung des Prozesses, argumentiert die zuständige Strafkammer.

Die Angeklagten müssen lediglich — abhängig vom Einkommen — zwischen 6000 und 40.000 D-Mark zahlen. Die Angehörigen der Opfer sind wütend. Ihre Anwälte fordern erfolglos die Fortführung des Verfahrens. Von den Versicherungen erhalten die Hinterbliebenen Entschädigungen, in welcher Höhe ist unbekannt. Die zivilrechtliche Aufarbeitung dauert länger. In etlichen Verfahren streiten sich betroffene Unternehmen jahrelang um Schadenersatz — zum Teil noch bis heute.

Am Montag wird im Andachtsraum im Flughafen mit einem Blumengebinde und einem Kondolenzbuch an den Brand erinnert. Viele Angehörige der Opfer werden nicht erwartet. Sie sind enttäuscht von der Justiz und der Politik.

(csh)
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