Köln Die Bankräuberin von nebenan

Köln · Am Tag nach Aschermittwoch fasste Gerdi H. (Name geändert) den Entschluss, eine Bank zu überfallen. Die 56 Jahre alte Frau nahm die Schreckschusspistole ihres Lebensgefährten von der Wand und fuhr zu "Kik", um sich eine Strumpfhose zu kaufen. Um 10.06 Uhr parkte sie ihren silbernen Ford-Escort vor einer Sparkassen-Filiale in Köln-Buchheim. Sie zog sich die schwarze Kapuze ihres Mantels tief ins Gesicht, maskierte sich mit dem Damenstrumpf, stellte sich vor dem Schalter in die Schlange und wartete, bis sie an der Reihe war.

"Ich hatte Bammel ohne Ende", sagt sie gestern vor dem Kölner Landgericht, wo ihr wegen schwerer räuberischer Erpressung der Prozess gemacht wird. Es ist das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich vor Gericht verantworten muss. Sie habe Schulden gehabt, nicht mehr gewusst, wie sie die vielen Löcher stopfen soll. "Da bin ich da einfach reinmarschiert", sagt sie und knetet ein Papiertaschentuch in ihren Händen. Als ehrenamtliche Kassiererin in einem Kleingartenverein in Mülheim war sie dafür verantwortlich, die Pachten für die Parzellen einzusammeln. 2013 nahm die arbeitslose Frau nach ihrer Schilderung zum ersten Mal am Monatsende einen 100-Euro-Schein aus der Kasse und legte das Geld Anfang des nächsten Monats wieder zurück. Doch bald schon verlor sie offenbar den Überblick. Am Ende waren es zwischen 13.000 und 14.000 Euro, die sie veruntreut hatte.

Sie sah nur einen Ausweg: einen Banküberfall. Die Beute des Bankraubs, 5000 Euro, brachte sie nach dem Überfall dem Kleingartenvorsitzenden. Die Strafkammer ordnete den Fall als minderschwer ein und verurteilte Gerdi H. zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert. Verteidiger Wolfgang Kutsch bezeichnete die Tat als eine Panikreaktion auf eine aussichtslose Situation. "Das ist ein sehr außergewöhnlicher Fall", sagte der Richter.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort