Der "Wibbel" gehört zur Familie

Das Stück über "Schneider Wibbel", das im Savoy Erfolge feiert, wurde von einem Düsseldorfer Maler inspiriert. Dessen Sohn erinnert sich daran, wie sein Vater dem Dramatiker Hans Müller-Schlösser die Idee zum Stück lieferte.

Endspurt für "Schneider Wibbel": Die 20 Aufführungen des Schauspielhauses auf der Bühne des Savoy-Theaters sind von der Premiere am 30. Dezember bis zur letzten Vorstellung am kommenden Sonntag fast durchweg ausverkauft. Womit einmal mehr bewiesen ist: Die Düsseldorfer halten ihrem liebenswerten Lokalhelden in herzlicher Zuneigung die Treue.

Lagerbier und Blutwurst

Ein besonders inniges Verhältnis zu dem pfiffigen Schneider hat der Architekt Andreas Seyppel aus Heerdt. Der ihm kostbare Zettel, den er in der Hand hält, ist vergilbt, lädiert, aber leserlich. Er stammt aus dem Besitz des Vaters und weist auf eine Aufführung des Sächsischen Staatstheaters Dresden vom 3. Januar 1942 hin. Mit Erich Ponto in der Titelrolle gab man die Komödie "Schneider Wibbel" von Hans Müller-Schlösser. In einem Text neben der Darstellerliste verrät der Autor die Inspiration zu seinem 1913 uraufgeführten Stück: "An einem Sommerabend 1911 lud mich der Düsseldorfer Maler Hans Seyppel, dem ich dafür mein Leben lang dankbar zu sein Grund habe, zu Lagerbier, Blutwurst und Zwiebeln ein", schreibt Müller-Schlösser.

Dieser "Künstlerkaviar" wurde häufig in den Ateliers verzehrt. Weil es damals allen rheinischen Künstlern schlecht ging und die Stimmung trübe war, unterhielt man sich reihum mit amüsanten Schnurren. Bei Hans Seyppel gab ein Berliner Gast die Anekdote eines Bäckermeisters zum Besten, der wegen Majestätsbeleidigung ins Gefängnis musste und stattdessen den Gesellen schickte.

Hans Müller-Schlösser griff die Idee auf, verlegte seine Komödie aber in die Zeit Napoleons. "Sie floss mir in vier Wochen aus der Feder", notierte er und pries den Geldsegen: "Der gute Anton Wibbel hat mir manchen Anzug geschneidert." Als Vater und Sohn Seyppel 1939 im Residenz-Kino den "Schneider Wibbel"-Film besuchten, trat auch Hans Müller-Schlösser vor den Vorhang. " Hannes, hier bin ich", habe der Vater gerufen, berichtet der Architekt. Im Zweiten Weltkrieg wurde Hans Seyppel als "Kriegsmaler" in Frankreich eingesetzt. Viele seiner Werke befinden sich heute im Bestand des Armeemuseums Ingolstadt, dürfen als "Nazikunst" nicht öffentlich gezeigt werden.

Literarische Ambitionen gab es in der Familie auch. So war Großvater C.M. Seyppel Maler, Humorist, Autor und Karikaturist. Als es um 1890 Mode war, nach Ägypten zu reisen, schrieb er altägyptische Humoresken. Alle drei Seyppels waren Malkästler, ihrer Heimatstadt und den Musen eng verbunden. Die nun wieder später angesiedelte "Wibbel"-Neufassung hat Andreas Seyppel nicht gesehen. Er bleibt ein wenig skeptisch. "Ich finde, das Stück gehört wie bei Müller-Schlösser in die napoleonische Zeit."

(RP)
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