Bruno Ganz liest aus dem "Untergeher"

Im "Savoy" las Bruno Ganz aus einem Roman von Thomas Bernhard – genauer: aus einer Schmähschrift über die Mittelmäßigkeit der allermeisten Kunstversucher. Der Schauspieler, der in dem Film "Der Untergang" die letzten Tage Adolf Hitlers so eindrucksvoll darstellte, wählt jetzt für seine Lesereise den vor beinahe 30 Jahren erschienenen, schmalen Roman "Der Untergeher".

Immerhin: Die Süddeutsche Zeitung hat Thomas Bernhards kunstvollen Monolog eines am Genie seines Kollegen Gescheiterten in ihren Kanon der 50 größten Romane des zwanzigsten Jahrhunderts aufgenommen. Und nach der Lesung im ausverkauften Saal an der Graf-Adolf-Straße könnte der Klassiker in den Buchhandlungen wieder ein Renner werden.

Denn die Kombination aus Werk und Vorleser war nahezu perfekt. Mit freundlich-professioneller Distanz trat Ganz an sein Pult. Keine Begrüßung gab es, keine Erklärung, nur die unmittelbare Hommage des Künstlers an den Text. Es geht darin um drei Pianisten, die größte Ansprüche an sich selbst stellen. Doch nur einem ist der Durchbruch vergönnt.

Als der Pianist Wertheimer schließlich den hinter geschlossenen Türen probenden Rivalen Glenn Gould mit den "Goldbergvariationen" hört, begreift er sofort, dass er dessen Virtuosität nie wird erreichen können. Doch auch der Erzähler kapituliert, verschenkt seinen Steinway-Flügel und entschließt sich, "Weltanschauungskünstler" zu werden.

Ganz' Textauswahl kombinierte die Kernhandlung mit den großartigen Heimatvernichtungs-Abschweifungen des 1989 gestorbenen österreichischen Erzählers. Unglaublich Böses war da zu hören über Salzburg und Linz, noch Übleres über Passau, und gar erst recht Schlimmes über das schweizerische Chur. Bis nach Madrid, in das Viertel um den Prado, lässt Bernhard seinen Ich-Erzähler vor dem Muff der Alpenländer flüchten.

Und Bruno Ganz präsentierte sie einfach großartig, die langen Tiraden und die penetrant wiederholten Hyperbeln der indirekten Rede: "so er, dachte ich", bei der Selbstlektüre ein Ärgernis, hier aber ein Hörgenuss.

(RP)
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